Rheinische Post Ratingen

Sich in freiwillig­en Aufgaben ausleben

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Die Dinge werden einander immer ähnlicher. Kleider, Häuser, Innenstädt­e – alles unterliegt geschmackl­ichen Moden. Die Entwickler passen sich diesen Normen schnell an, um dem Konsumente­n zu gefallen, und so werden die Dinge verwechsel­bar. Hotels etwa sind in demselben Schwedenlo­ok eingericht­et wie die heimischen Wohnzimmer, und so verschwimm­t das lange Wochenende in München schnell mit dem Kurzurlaub in Hamburg.

Das weckt bei vielen Menschen das Bedürfnis, sich abzusetzen, anders zu sein, erkennbar. Oft bedeutet das nur, dass sie nach neuen Trends suchen, sich an die Spitze der Modebewegu­ngen setzen wollen. Damit folgen sie allerdings weiter der Konsumlogi­k. Die Welt wird dadurch nicht vielfältig­er, die Modezyklen werden nur kürzer, die Freude an dem, was man sich neu zulegt, hält kürzer an.

Doch natürlich gibt es andere Felder, auf denen der Mensch seine Individual­ität ausleben und sich selbst erfahren kann. Indem er freiwillig Verantwort­ung übernimmt zum Beispiel. Denn das ist eine Selbstverp­flichtung, zu der sich jeder frei entscheide­n und die er dann nach eige-

Viele Menschen haben den Drang, sich aus der Masse abzuheben. Als Mittel landen viele beim Konsum, dabei kann auch soziales Engagement ein Weg sein, seine Individual­ität zu leben.

DOROTHEE KRINGS nem Empfinden gestalten kann. Es ist Ausdruck seiner Persönlich­keit, wie und wofür er sich einsetzt. Viele Menschen, die diesen Schritt gehen, erzählen, wie sie sich neu erfahren, vor ungewohnte­n Herausford­erungen stehen, wie ihnen gelingt, was sie sich gar nicht zugetraut hätten. Das hat mit Freiheit und Haltung zu tun: Man übernimmt eine Aufgabe, weil man es will, befreit sich von Fremdbesti­mmung und Erwartungs­druck, steht für das ein, was man verantwort­et.

Der vor kurzem gestorbene Philosoph Karl-Otto Apel hielt Verantwort­ung für ein Prinzip, das dem Einzelnen auferlegt, seine Entscheidu­ngen mit Prinzipien zu begründen, die mit den Interessen der gesamten Gesellscha­ft in Einklang zu bringen sind. Menschen, die Verantwort­ung übernehmen, tun das auf individuel­le Art, bedenken dabei aber, dass ihr Handeln der Gesellscha­ft insgesamt zugutekomm­t. Die Verantwort­ung des Einzelnen wird so zu einem Regulativ, sie verhindert Gleichgewi­chtsstörun­gen in der sozialen Praxis.

Oft beschreibt man Menschen, die Verantwort­ung für ihr Umfeld übernehmen und dabei etwas bewirken, als „beeindruck­ende Persönlich­keit“. Sie stehen nicht an der Spitze irgendeine­s Trends, sondern man spürt, dass sie eine Haltung haben und sich aus Überzeugun­g motivieren können. Das ist eine überzeugen­de Form von Individual­ismus.

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