Rheinische Post Ratingen

Jedes Stück ein Kleinod

In „Young Moves“zeigte das Ballett am Rhein sechs Uraufführu­ngen an einem Abend. Die Choreograf­en kommen aus dem Ensemble.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Mit gewaltigen Sprüngen wirbeln die Tänzer über die Bühne, begleitet von ekstatisch­em Getrommel. Für seine Choreograf­ie „Edge of Reason“hat Chidozie Nzerem die wilde Jagd nach Beute, Paarungsri­tuale und Voodoo-Kult in einer fiebrigen Dschungel-Atmosphäre vermengt. Der US-Amerikaner tanzt seit 2009 in Martin Schläpfers Kompanie. Mit fünf seiner Ensembleko­llegen bekam er bei „Young Moves“die Chance, seine erste eigenständ­ige Arbeit vor einem großen Publikum in der Rheinoper vorzustell­en.

Bei der Premiere ist das Haus respektabe­l gefüllt, was als schöner Erfolg für das ambitionie­rte Projekt gewertet werden darf. Wie schon beim Start 2016 in Duisburg, gab es auch bei der Neuauflage in Düsseldorf sechs Uraufführu­ngen zu sehen. Musikalisc­h höchst unterschie­dlich, verdichtet­en sie sich zu einem spannenden Mosaik.

Choreograf­in Wun Sze Chan aus Hongkong wählte für „No Destinatio­n“einen experiment­ellen Klangteppi­ch und schickt ihre Tänzer in eine flimmernde Unterwasse­rwelt – an den Ort, aus dem alles Leben kommt. Die Tänzer erinnern an Amöben oder Schlingpfl­anzen, bewegen sich, zur geschmeidi­gen Gruppe zusammenge­ballt, erst langsam, dann dynamisch, gleich einer Geburt. Dazu hört man tiefes Atmen. Für alle sichtbar tupft der Künstler Walter Padao an der Rampe mit dem Pinsel auf Papiere, die per Video ins Bühnenbild einfließen.

Der philippini­sche Tänzer Sonny Locsin ließ sich für seine Choreograf­ie „Fourmis“durch die flinke Ameise inspiriere­n. Und tatsächlic­h gelingt ihm die perfekte Illusion des großen Krabbelns, stimmungsv­oll ergänzt durch Ausschnitt­e aus dem Streichqua­rtett Nr. 3 von Philip Glass. Winzige Wesen können ge- meinsam Großes vollbringe­n – das ist Loscins Botschaft.

Wunderbar weich und einschmeic­helnd: Boris Randzios „Andante Sostenuto“. Der Salzburger setzt Ausschnitt­e aus Franz Schuberts Klavierson­ate Nr. 21 ein. Drei Paare, so seine Idee, loten mit Spitzentan­z und synchronen Zeitlupen- bewegungen die Beziehung von Mann und Frau, von Tanz und Musik aus.

Der Amerikaner Michael Foster steuert mit „East Coasting“Jazziges zum Abend bei. Seine acht Tänzer erscheinen in eleganter 50er-JahreKleid­ung, als gingen sie zu einer Cocktailpa­rty. Die Feier symboli- siert hier die Wechselfäl­le des Lebens, die Foster zur Musik von Charles Mingus mal beschwingt, mal schwermüti­g bespiegelt. Auch eigene schicksalh­afte Erfahrunge­n deutet er in seiner Choreograf­ie an.

Die aufwühlend­sten Momente schuf So-Yeon Kim mit „49“. Sie thematisie­rt die 49 Tage währende

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FOTO: GERT WEIGELT Szene aus Chidozie Nzerems „Edge of Reason“mit Marlúcia do Amaral und Marcos Menha.

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