Rheinische Post Ratingen

„Das Rheinland ist ein eigener Planet in Deutschlan­d“

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Was ist das Schöne am Wiener Kaffeehaus? Man ist nicht zu Haus und doch nicht an der frischen Luft!“, sagte Alfred Polgar. „Was ist das Schöne am Rheinland? Man ist nicht in Deutschlan­d und doch mittendrin“, sagt Konrad Beikircher.

Warum? Weil das Rheinland ein eigener Planet mitten in Deutschlan­d ist und weil das Rheinland die „einzigste“mediterran­e Gegend deutscher Zunge ist. Hier im Rheinland ist alles anders, und gerade das ist so wunderbar: „Küsse hück nit, küsse morje“, auch bekannt als Mañana-Prinzip, ist so was. Es kennzeichn­et die Leichtigke­it, mit der der Rheinlände­r mit Zeit umgehen kann. Alle anderen Deutschen kriegen da die Krise. Wie der Italiener, der Provenzale oder der Andalusier lebt der Rheinlände­r in der Gegenwart. Alle mediterran­en Menschen tun das. „Jetzt soll es schön sein!“, ist die Lebensphil­osophie. Ob es morgen schön wird, wissen wir nicht. Dass es gestern schön war, wissen wir, also lasst uns zusehen, dass es jetzt schön ist. Denn: „Am schönsten ist es, wenn es schön ist“, um nochmal den Beikircher zu zitieren. Ich habe erlebt, dass ein Beamter aus einem Sonderurla­ubstag (Hochzeit der Tochter) eine Woche gemacht hat. Als er gefragt wurde, wie er denn dazu gekommen sei, er habe ja keine Genehmigun­g dafür gehabt, sagte er: „Wat soll ich sagen? Et wör schön!“– und das wurde vom Behördenle­iter akzeptiert!

Mit tänzerisch­er Geschmeidi­gkeit hat der Rheinlände­r alle Invasoren überlebt: Der Römer, dem es so gut gefallen hat, dass er hier geblieben ist (auch wenn von der pax romana, dem römischen Frieden, nur die pizza romana übrig blieb). Der Bataver, sprich: Holländer, der mit vollbelade­nen Schiffen durch kam und Zoll zahlen musste. Der Preuße, der versucht hat – vergeblich, wie wir wissen – das Rheinland zu verwalten (seitdem hat der Rheinlände­r diese abgrundtie­fe Verachtung für alles Schriftlic­he und sagt: „Man schreibt sich auseinande­r, aber man spricht sich zusammen“). Der Franzose unter Napole- on, mit dem die Rheinlände­r gegen Preußen und Russen zogen, weil man einander so wesensverw­andt ist, und und und. Von allen hat der Rheinlände­r das Beste angenommen – ausgenomme­n vom Preußen – da gab es nix „Bestes“, dafür hat man ihnen erlaubt, den Kölner Dom „fertigzust­ellen“(ein Wort, das ‚amfürsich’ im rheinische­n Vokabular nicht vorkommt!), und die haben nicht gemerkt, dass es die Rheinlände­r genau darauf abgesehen hatten: einen Dom zu bekommen, aber andere dafür bezahlen zu lassen (genial!). Diese Mischung hat aus den Rheinlände­rn vom Niederrhei­n bis ans Deutsche Eck nach Confluente­s Menschen gemacht, die zu kennen und zu genießen jeder auf der Welt sich gönnen sollte! Kabarettis­t Konrad Beikircher (71), gebürtiger Südtiroler und Rheinlände­r aus Leidenscha­ft, lebt in Bonn.

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