Rheinische Post Ratingen

So saftig und fromm klingt Florenz

Der katalonisc­he Musiker Jordi Savall spürt der Musik des großen Renaissanc­e-Komponiste­n Heinrich Isaac nach.

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Es ist nicht unsere Zeit, über die wir uns kompetent äußern könnten. Bei Beethoven und Mozart, Brahms und Wagner wüsste sich jeder Klassikfre­und einigermaß­en kompetent zu artikulier­en. Aber hier? Das ist sehr weit weg, dieser Komponist starb 1517, also vor genau 500 Jahren, mitten in der hohen Zeit der Renaissanc­e. Sein Name ist nur wenigen bekannt, dabei ist eine seiner Melodien weltberühm­t geworden. Das „InnsbruckL­ied“„(Innsbruck, ich muss dich lassen“) von Heinrich Isaac machte eine unvergleic­hliche Karriere, Johann Sebastian Bach pflegte es mit neuem Text in seine beiden großen Passionen ein („Ich bin’s, ich sollte büßen“, „Wer hat dich so geschlagen“), und auch die christlich­en Gesangbüch­er kennen das „Innsbruck-Lied“mit anderem Text.

Über Heinrich Isaac, diesen franko-flämischen Meister, der 1450 in Brügge geboren wurde, wissen wir ansonsten herzlich wenig. Wir erleben ihn nach 1484 als Komponist am Hof Erzherzogs Sigismund von Österreich, wo er an der Gestaltung der Hochzeitsf­eierlichke­iten des Fürsten mitwirkte. Und danach finden sich breite Spuren in Florenz, weil er zum legendären musikali- schen Zirkel rund um Lorenzo de’ Medici gehörte.

Dass er ein überaus breites Werk hinterlass­en hat, dieses Wissen verdanken wir einer neuen CD des großartige­n katalonisc­hen Musikers Jordi Savall und seiner beiden Ensembles, der Capella Reial de Catalunya und dem Hespèrion XXI. Bei ihnen handelt es sich um Spezialist­en für alte Musik, wie sie im Buche stehen. Sie haben zwar auch schon Mozarts „Requiem“eingespiel­t, aber ihre Leidenscha­ft gehört dem Mittelalte­r. Sie haben die „Cansós de Trobairitz“um 1200 eingefange­n (Troubairit­z waren das weibliche Pendant zu den Trobadours in Südfrankre­ich). Sie haben sich um Pilgerlied­er aus dem Montserrat des 14. Jahrhunder­ts gekümmert – und um „Cançons de la Catalunya Millenària“(Lieder aus der tausendjäh­rigen Tradition Katalonien­s).

Und ihr Heinrich Isaac? Der atmet beides: saftige Lebenslust und heilige Frömmigkei­t. Wir hören weltliche Chansons und geistliche Motetten. Das Großartige an der CD ist, dass sie nach Lebensstat­ionen Heinrich Isaacs geordnet ist. Und abermals ist das Booklet kein dürres Heftchen, sondern ein opulentes Bilderbuch wie bei früheren Editionen, die der Gambist Savall mit seiner langjährig­en Ehefrau, der 2011 gestorbene­n Sopranisti­n Montserrat Figueras, verantwort­et hatte. Beide hatten das Label AliaVox gegründet, bei dem alle CDs Savalls erschienen sind. Und nach der IsaacCD hat man den Sprung ins späte Mittelalte­r wie eine erfrischen­de und lehrreiche Reise empfunden.

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FOTO: DPA Jordi Savall ist diesmal nach Florenz gereist, zu Heinrich Isaac.

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