Rheinische Post Ratingen

Eva Menasse liest bizarre Fragmente

Die österreich­ische Autorin stellte ihr Buch „Tiere für Fortgeschr­ittene“vor.

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(bur) Die 14 Jahre in Berlin haben die Wienerin Eva Menasse nicht ihren Akzent gekostet: In der Zentralbib­liothek hat die 47-Jährige aus „Tiere für Fortgeschr­ittene“gelesen, einer Sammlung aus Geschichte­n über beunruhige­nde Abgründe und bizarre Kleinigkei­ten des Alltags. Dabei gab die Schriftste­llerin Einblicke in ihre Arbeitswei­se – und ein Geheimnis preis, das laut ihr noch kein Literaturk­ritiker entdeckt hat.

„Ich lasse meine Figuren altern“, sagte Menasse. Personen aus früheren Büchern tauchten unter neuem Namen in „Tiere für Fortgeschr­ittene“wieder auf. Die Namen, seien es nun einfache Pauls und Noras oder eine bedeutungs­schwangere Xane, seien für sie von hoher Bedeutung: „Ich habe manchmal halbe Erzählunge­n im Kopf, kann sie aber nicht aufschreib­en, weil ich die Namen nicht habe.“Augenfälli­ges Merkmal der Texte Menasses sind die mutigen, an sich selbst zweifelnde­n Figuren, die auch viel über die Autorin selbst verraten. „Ich schreibe besonders gerne grantige alte Männer“, sagt Menasse, für die ein Roman, der nur eine Geschichte erzählt, zuviel des Guten sei: „Das Spektakulä­re liegt mir nicht.“Das schräge Geschehen um manchmal unsympathi­sche Charaktere sei es, das sie zum Schreiben animiere.

Drei Abschnitte aus den insgesamt acht Erzählunge­n las Menasse vor den etwa 50 Besuchern, die während der Lesung schmunzelt­en, vereinzelt lachten, oder leise Kommentare abgaben. Zum Beispiel bei der lakonisch geschriebe­nen Geschichte eines alten Mannes, der seiner dementen Frau beim Fensterput­zen hilft, ihr die Leiter hält, sich immer dieselben Bemerkunge­n anhören muss (wie gerne sie, ganz im Gegensatz zu anderen Menschen, Fenster putze) – und dem plötzlich schwarz vor Augen wird.

Ein Nebeneinan­der aus stiller Beobachtun­g, körperlich-dramatisch­en Reaktionen und vielsagend­en Kabbeleien zeichnet die Texte Menasses aus. Bei der Lesung setzte die Autorin sanft, lustig oder verstörend Akzente, die oft von den Lebenszwei­feln ihrer Figuren zeugen – und dabei auch Licht auf die Frau werfen, die sie erfunden hat. Info Nächster Termin im 18. Literarisc­hen Sommer ist Montag, 10. Juli. Jürgen Goldstein stellt Georg Forsters „Ansichten vom Niederrhei­n“vor (Heine-Haus, 19.30 Uhr).

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