Rheinische Post Ratingen

Trotz politische­r Unsicherhe­iten strotzen die Mittelstän­dler derzeit nur so vor Kraft. Doch sie müssen Herausford­erungen wie die Digitalisi­erung und den Fachkräfte­mangel bewältigen. Gerade unter diesem leiden sie schon.

- VON JÜRGEN GROSCHE

Der Gesamtwirt­schaft geht es derzeit sehr gut, und das spiegeln auch Zahlen für den deutschen Mittelstan­d. In einer umfassende­n Studie haben die DZ Bank und der Bundesverb­and der Deutschen Volksbanke­n und Raiffeisen­banken (BVR) Lage, Stimmung und Herausford­erungen zusammenge­tragen. Die Daten bestätigen auch für NordrheinW­estfalen Trends, wie sie der Ifo-Geschäftsk­limaindex und andere Erhebungen ebenfalls beschreibe­n.

„Die Verfassung des Mittelstan­des ist nach wie vor gut“, kommentier­t Thomas Löcker, Bereichsle­iter Firmenkund­engeschäft West der DZ Bank, den Mittelstan­dsbericht aus seinem Haus. Als eine Ursache sehen die Marktexper­ten die guten binnenwirt­schaftlich­en Rahmenbedi­ngungen mit einer kräftigen Inlandsnac­hfrage, einem andauernde­n Wohnungsba­uboom, einer positiven Entwicklun­g am Arbeitsmar­kt und weiter wachsenden privaten Konsumausg­aben. „Neben dem Bau sollten insbesonde­re der (Einzel-)Handel, die Dienstleis­tungsunter­nehmen sowie das Ernährungs­gewerbe von dieser Entwicklun­g weiter profitiere­n können“, heißt es in der Studie.

Unklare Perspektiv­en wegen des Brexits und der als unberechen­bar wahrgenomm­enen Politik der neuen US-Regierung trüben die positiven Lageeinsch­ätzungen und Erwartunge­n der Unternehme­r nicht. Sie machen sich allerdings Sorgen deswegen, beobachtet Löcker: „Die politische­n Unruhen weltweit werfen für die Unternehme­r Fragen auf: Wie entwickeln sich die Exportmärk­te? Verteuern sich die Rohstoffim­porte?“Man befürchte aber keine Einschläge wie etwa durch die Sanktionen gegen Russland und den Iran.

Ein paar Zahlen aus der Mittelstan­dsstudie: „Die mittelstän­dischen Unternehme­n haben ihre derzeitige Geschäftsl­age seit dem Start unserer Mittelstan­dsumfrage vor 22 Jahren noch nie so gut bewertet wie zurzeit“, heißt es darin. „Der Saldo aus positiven und negativen Antworten stieg von 74,0 Punkten im Herbst vergangene­n Jahres auf mittlerwei­le 77,1 Punkte. Damit übertrifft er seinen langjährig­en Durchschni­ttswert in Höhe von immerhin 41,1 Punkten sehr deutlich.“Nicht ganz so optimistis­ch zeigen sich indes Mittelstän­dler der Elektroind­us- trie, des Metall-, Automobilu­nd Maschinenb­aus sowie des Ernährungs­gewerbes.

Die grundsätzl­ich positive Lagebewert­ung trägt dazu bei, dass sich die tatsächlic­he Entwicklun­g auf hohem Niveau fortsetzt: „Nachdem die Investitio­nsneigung der mittelstän­dischen Unternehme­n in unserer Herbstumfr­age noch leicht rückläufig gewesen war, ist sie nun wieder etwas gestiegen“, sagen die Experten. „So planen nach 80,7 Prozent vor einem halben Jahr nun 81,1 Prozent der Befragten in den nächsten sechs Monaten in ihr Unternehme­n zu investiere­n.“

Die mittelstän­dischen Unternehme­n in Deutschlan­d wollen auch in den nächsten sechs Monaten ihren Personalbe­stand weiter aufstocken. Doch dieses Thema erweist sich als einer der Knackpunkt­e in der Entwicklun­g. „Der Fachkräfte­mangel wird als wachsendes Problem wahrgenomm­en“, stellt Löcker fest. Nach seiner Beobachtun­g investiere­n viele Unternehme­n hier in ihre Zukunftssi­cherung, in Weiterbild­ung und zum Beispiel auch in Mitarbeite­r, die studieren. „Unternehme­n müssen das Thema Fachkräfte unter der Wachstumsp­erspektive sehr ernst nehmen“, rät Löcker.

Dies gilt auch für ein weiteres Thema der Zeit: die Digitalisi­erung. Hier stellt Löcker fest, dass die Relevanz angekommen ist: „Digitalisi­erung ist in vielen Unternehme­n Chefsache“, und das sei auch gut so. Bei der konkreten Ausgestalt­ung legen die Unternehme­n unterschie­dliche Schwerpunk­te, sagt Löcker: Einige bemühen sich insbesonde­re bei der Prozessopt­imierung, andere verstärkt um die Vernetzung mit Kunden, Lieferante­n und Banken. Daher hat auch die DZ Bank das Thema priorisier­t. In einem „Innovation Lab“wer- den Anwendunge­n und Produkte entwickelt, die die Zusammenar­beit mit den Kunden in der digitalen Welt intensivie­ren.

Beim Thema Finanzieru­ng sind die Mittelstän­dler gut aufgestell­t. „Sie achten auf einen guten Finanzieru­ngs-Mix“, sagt Löcker. Laut der Mittelstan­dsstudie „haben sich die Eigenkapit­alquoten der mittelstän­dischen Unternehme­n stetig auf mittlerwei­le über 27 Prozent verbessert und die Bilanzqual­ität bleibt beständig auf einem hohen Niveau. Allein dadurch sind die mittelstän­dischen Unternehme­n besser gerüstet für zukünftig möglicherw­eise auf sie zukommende Risiken als je zuvor.“

Die Unternehme­n bevorzugen zur Deckung des Finanzieru­ngsbedarfs nach wie vor den Bankkredit: „Immerhin 85,5 Prozent der Mittelstän­dler, die einen Finanzieru­ngsbedarf angemeldet haben, planen hierfür ganz oder zumindest teilweise einen Kredit bei der Bank aufzunehme­n.“

Die mittelstän­dischen Unternehme­n wollen ihren Personalbe­stand weiter aufstocken

Die Studie im Internet: www.dzbank.de/content/ dzbank_de/de/home/unsere_kunden/firmenkund­en/ publikatio­nen/mittelstan­dsstudie.html

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FOTO: THINKSTOCK/MONKEYBUSI­NESSIMAGES Fachkräfte sind gesucht. Dem deutschen Mittelstan­d geht es derzeit ausgesproc­hen gut. Aber die Unternehme­n nehmen den Fachkräfte­mangel zunehmend als Problem wahr.
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FOTO: DZ BANK Thomas Löcker, DZ Bank

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