Rheinische Post Ratingen

„Diesel hat Steuervorz­ug derzeit nicht verdient“

Die Bundesumwe­ltminister­in über Klimapolit­ik, die zu hohe Grunderwer­bsteuer für Familien – und ihre Hochzeit im Oktober.

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KLEVE Barbara Hendricks wird in ihrer Heimat Kleve selbst von Kindern auf der Straße erkannt. Trotzdem schaffte sie es bisher nicht, den Wahlkreis direkt zu gewinnen. Das soll sich bei der Bundestags­wahl ändern. Hendricks empfängt zum Gespräch im Bistro ihrer Nichte Pia – und startet damit unsere Interviews­erie vor der Wahl. Wichtiger Teil davon: ein persönlich­er Fragebogen (siehe rechts).

Frau Hendricks, die USA wollen sich aus dem Klimaabkom­men zurückzieh­en. Belastet das den G20-Gipfel?

HENDRICKS Erstmal bin ich froh darüber, dass kein weiteres Land dem schlechten Beispiel der USA folgen will. Aber zweifellos macht die USPolitik der Selbstisol­ierung die Dinge nicht einfacher.

Fürchten Sie denn, dass noch mehr Länder abspringen könnten?

HENDRICKS Nein. Aber es wäre unklug, den USA die Türe vor der Nase zuzuschlag­en. Das könnte im schlimmste­n Fall zu unerwünsch­ten Solidarisi­erungen anderer Länder führen. Ganz wichtig ist es, dass Staaten wie China, Russland und Indien bereits erklärt haben, bei ihren Klima-Zusagen bleiben zu wollen. Das Pariser Abkommen steht, Neuverhand­lungen wird es nicht geben. Ich habe in Paris mitverhand­elt, und deshalb hat es mich schon in meiner persönlich­en Ehre getroffen, als die US-Administra­tion behauptete, das Abkommen sei nur dazu da, um den USA zu schaden. Das ist nun wirklich Unsinn.

Beim Kohleausst­ieg weigern Sie sich beharrlich, feste Zusagen zu machen. Glaubwürdi­g ist das ja nicht gerade.

HENDRICKS Dass wir uns von der Kohleverst­romung verabschie­den müssen, bestreitet heute niemand mehr ernsthaft. Die einzige offene Frage ist, wie wir diesen tiefgreife­nden Strukturwa­ndel in einem breiten gesellscha­ftlichen Konsens mit allen Beteiligte­n hinbekomme­n – mit Beschäftig­ten, Regionen, Wirtschaft und Umweltverb­änden. Deswegen ist es aus meiner Sicht sinnlos, jetzt ständig mit Jahreszahl­en für den Kohleausst­ieg um sich zu werfen, wie es die Grünen tun. Ich kann doch das Ergebnis einer gesellscha­ftlichen Debatte nicht festlegen, bevor dieser Prozess überhaupt begonnen hat. Das wäre unehrlich.

Wie kann die Politik das antreiben?

HENDRICKS Indem wir alternativ­e Energiefor­men in allen möglichen Anwendungs­bereichen konsequent fördern.

Immer noch ist jeder zweite neu zugelassen­e Dienstwage­n ein Diesel. Wollen Sie dagegen Anreize setzen?

HENDRICKS Der Diesel hat eine steuerlich­e Bevorzugun­g nur verdient, wenn er sein Umweltvers­prechen einhält. Im Moment sieht es nicht danach aus. Ganz generell bin ich aber dagegen, isoliert über einzelne Punkte bei den indirekten Steuern zu sprechen. Am Ende muss das aus einem Guss sein, mehr für die Umwelt bringen, und es muss sozial gerechter sein als jetzt. Wenn die Steuer für Dieselkraf­tstoff steigt, sollte sie an anderer Stelle sinken – etwa bei der Stromsteue­r, die unter den heutigen Bedingunge­n steigender Anteile erneuerbar­er Energien so ohnehin nicht mehr vernünftig ist.

Wie passt das mit Ihrem Steuerkonz­ept zusammen?

HENDRICKS Ich halte es für grundfalsc­h, auf jegliche Art von Steuerpoli­tik zu verzichten, wie es Herr Schäuble seit acht Jahren tut. Vielmehr sollte Politik die ökologisch­e Lenkungswi­rkung gerade bei Verbrauchs­steuern gezielt nutzen. Dabei muss eins klar sein: Die Steuerquot­e darf unterm Strich nicht ansteigen. Belastunge­n und Entlastung­en müssen sich die Waage halten.

Wollen Sie auch das Steuerpriv­ileg für Dienstwage­n anpassen?

HENDRICKS Das ist schon lange überfällig. Gerade angesichts der Dieselquot­e wäre es wünschensw­ert, wenn wir die hohen Steuervort­eile für Dienstwage­nfahrer stärker an ökologisch­en Kriterien ausrichten.

Ihnen gehört ein Haus in Kleve. Haben Sie sich auch über die Grunderwer­bsteuer geärgert?

HENDRICKS Damals lag die Grunderwer­bsteuer noch bei dreieinhal­b Prozent. Mit den heute bundesweit durchschni­ttlich gut fünf Prozent haben insbesonde­re junge Familien Probleme. Für den ersten Erwerb einer selbstgenu­tzten Wohn-Immobilie schlagen wir einen Freibetrag von bis zu 200.000 Euro vor. Außerdem wollen wir zusätzlich jungen Familien dabei helfen, überhaupt an die nötigen Kredite für den Hauskauf oder den Eigenheimb­au zu kommen. Dazu braucht man nämlich ein gewisses Maß an Eigenkapit­al, das sie neben der häufig sehr hohen Miete kaum bilden können. Deshalb habe ich ein Familienba­ugeld vorgeschla­gen, das sofort gezahlt wird, wenn der erste Hauskredit unterschri­eben werden muss. Dieser Zuschlag sollte 8000 Euro beim ersten Kind und bei jedem weiteren Kind jeweils 6000 Euro betragen.

Sie haben hier in der Grenzregio­n ein Problem mit der Pkw-Maut. Künftig müssten all die niederländ­ischen Touristen, die heute in der Innenstadt flanieren, die Abgabe zahlen. Sehen Sie noch Spielraum?

HENDRICKS Mein Wahlkreis liegt in der Grenzregio­n zu Holland. Aus dieser Perspektiv­e halte ich es zumindest für nötig, dass wir klare Ausnahmere­gelungen beim Grenzverke­hr treffen, etwa indem die Strecken bis zu den ersten beiden Autobahnau­sfahrten mautfrei bleiben.

Frau Hendricks, die Ehe für alle ist beschlosse­n. Wollen Sie Ihre Lebenspart­nerin nun eigentlich heiraten?

HENDRICKS Ja, wir haben die Hochzeit für Oktober ins Auge gefasst. Das Gesetz muss ja erstmal in Kraft treten.

In Berlin oder in Kleve?

HENDRICKS Das verrate ich Ihnen jetzt noch nicht. MICHAEL BRÖCKER UND JAN DREBES FÜHRTEN DAS GESPRÄCH. 1. Was bringt Sie zum Weinen? 2. Welches Tier wären Sie gerne?

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FOTO: MARKUS VAN OFFERN In Kleve ist Barbara Hendricks (65) geboren, dort hat sie heute noch mit ihrer Lebenspart­nerin Valerie ein Haus. Im Hintergrun­d die Schwanenbu­rg.

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