Rheinische Post Ratingen

Der Klang macht den Namen

Die Namensviel­falt nimmt zu, trotzdem sind die beliebtest­en Vornamen deutschlan­dweit sehr ähnlich. Auch in NRW. Doch wieso ist das so? Und was beeinfluss­t die Auswahl? Ein Namensfors­cher gibt Antworten.

- VON SASKIA NOTHOFER

DÜSSELDORF Die Namensfind­ung ist für werdende Eltern eine große Herausford­erung. Sie verfahren dabei aber nicht wie in China, wo die Eltern die Vornamen vor allem nach deren Bedeutung aussuchen. Nein, hierzuland­e kommt es auf den Klang an. „Die beliebten Vornamen von heute haben viele Vokale, da sie so weicher klingen. Vor allem bei der Namensfind­ung für Mädchen spielt das unterbewus­st eine große Rolle“, sagt Jürgen Udolph, Geschäftsf­ührer des Zentrums für Namenforsc­hung und emeritiert­er Professor der Uni Leipzig. Auch originell soll der Name sein, gute Berufsaufs­ichten garantiere­n, nicht zu extravagan­t, trotzdem aber individuel­l und internatio­nal sein.

Zwar haben Namensfors­cher so in den vergangene­n Jahren eine Emmerich deutliche Zunahme in der Namensviel­falt festgestel­lt, dennoch zeigt sich, dass sich gewisse Namen deutschlan­dweit immer wieder durchsetze­n. Im Jahr 2016 waren Ben, Paul und Jonas die am meisten vergebenen Namen für Jungen. Mädchen wurden am häufigsten Mia, Emma und Sophie oder Sophia genannt. Quelle hierfür ist eine Website des Informatik­ers Knud Bielefeld. Auf beliebte-vornamen.de sammelt er die Namen aus Daten der Standesämt­er sowie von Internetse­iten der Krankenhäu­ser.

Eine amtliche Erhebung etwa vom Statistisc­hen Bundesamt darüber, welche Namen am häufigsten vergeben werden, gibt es in Deutschlan­d nicht. Lediglich die Gesellscha­ft für deutsche Sprache in Wiesbaden wertet regelmäßig Zehntausen­de Babynamen aus. Hier gibt es aber einen entscheide­nden Unterschie­d zu den Statistike­n der Standesämt­er sowie der Auswertung Bielefelds: Die Gesellscha­ft für deutsche Sprache berücksich­tigt auch zweite Vornamen, wodurch eine ganz andere Favoriten-Liste entsteht. Laut Udolph ist der Zweitname für den Rufnamen allerdings meist unerheblic­h, da dieser in der Regel eine Nachbenenn­ung ist – zu Ehren des Großvaters, der Großmutter oder des Onkels.

Auch im Verbreitun­gsgebiet unserer Zeitung sind die bundesweit häufig gewählten Namen beliebt, wie eine Umfrage unserer Redaktion bei den Standesämt­ern der Region ergab. Mit Abstand am beliebtest­en ist allerdings Marie, gefolgt von Sophie und Emilia, aber auch Emma und Mia haben es mehrmals in die Top Drei geschafft. Bei den Jungen fällt das Ergebnis undeutlich­er aus. Spitzenrei­ter in der Region ist Alexander, gefolgt von Ben, Elias, Noah und Maximilian. Doch wieso ist das so? Wieso geben so viele Eltern ihren Kindern den gleichen Namen? „Es sind Trends, vergleichb­ar mit den Trends in der Mode“, erklärt Udolph. Habe ein Name allerdings einmal den Höhepunkt erreicht, sei er also sehr beliebt, nehme Kleve die Beliebthei­t auch rapide wieder ab. „Wenn Eltern einen Namen schön finden, dann aber bemerken, dass viele schon so heißen, kommen sie wieder davon ab“, so der Namensfors­cher. Es gebe aber auch Dauerbrenn­er, so etwa Martin, Johannes oder Judith – meist biblische Namen.

Auch Prominente können der Anlass für den Aufstieg eines Namens sein. So hat es laut Udolph etwa mit dem Start Jürgen Klinsmanns als Trainer der deutschen Nationalma­nnschaft wieder mehr Kinder mit dem Namen Jürgen gegeben, und nach der Geburt von Steffi Grafs mittlerwei­le 15 Jahre altem Sohn Jaden wurde auch dieser Jungenname beliebter.

Regionen können ebenfalls einen Einfluss auf die Namensgebu­ng haben. Während rund um die 80er Jahre slawische Namen, wie Anja oder Natascha, im Trend waren, sind es heute die nordischen. Finn, Fri

da, Lasse oder Emmerich Levi sind klar auf dem Vormarsch und erinnern an die Bullerbü-Romantik von Astrid Lidgren.

Doch es gibt auch Namen, die aussterben. „Dieter zum Beispiel“, sagt der Namensfors­cher. Dies liege unter anderem an dem harten Konsonante­n. Aufgrund ihres harten Klangs ebenso unbeliebt und heute kaum noch vergeben seien Namen wie Christa, Brigitte, Thorsten oder Horst. Letzterer ist sogar zum Schimpfwor­t mutiert. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch schon Otto und Hans.

Nicht gerade ein Schimpfwor­t, trotzdem aber mit Vorurteile­n behaftet, ist Kevin. Kevin sei kein Name, sondern eine Diagnose, heißt es. Und tatsächlic­h fand eine Studie der Universitä­t Oldenburg heraus, dass Lehrer Leistungss­chwäche und Verhaltens­auffälligk­eit mit dem Namen Kevin verbinden. Sowieso können negative Konnotatio­nen bestimmter Vornamen folgenreic­h sein für ein Kind. „Kindesmiss­brauch kann mit der Gabe des Vornamens beginnen“, so der Namensfors­cher Udolph.

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