„Geschwindigkeit ist wichtiger als Größe“
Die Begeisterung für seine Arbeit ist Henkel-Chef Hans Van Bylen beim Redaktionsbesuch anzumerken – er lerne täglich hinzu, sagt er. An Düsseldorf gefielen ihm die immer besseren Restaurants und die internationale Atmosphäre, erzählt er.
Herr Van Bylen, als Sie vor 14 Monaten Henkel-Chef wurden, war der Konzern schuldenfrei, die Gewinne hoch wie nie. Ist der Job da überhaupt noch eine Herausforderung?
VANBYLEN Wir sind stolz darauf, dass Henkel erfolgreich ist. Doch Erfolg muss immer wieder neu verdient werden. Unser Umfeld verändert sich ständig. Der Wettbewerb nimmt weiter zu und es gibt viele neue Herausforderungen.
Ihr Vorgänger, Kasper Rorsted, hatte für 2016 ein Umsatzziel von 20 Milliarden Euro genannt. Dafür reichte es nicht. Schafft Henkel unter Ihnen die 20 Milliarden Euro dieses Jahr?
VANBYLEN Im ersten Quartal stieg unser Umsatz auf mehr als fünf Milliarden Euro. Das ist ein guter Start. Aber wir verfolgen nicht mehr ein festes Umsatzziel in Euro. Denn die Abwertung vieler Währungen gegenüber dem Euro hatte uns alleine 2016 mit rund einer Milliarde Euro belastet. Bis 2020 wollen wir nun den organischen Umsatz im Schnitt zwischen zwei und vier Prozent pro Jahr erhöhen – ohne den Einfluss von Währungen und Akquisitionen. Wir sind zuversichtlich, dass wir dieses Ziel 2017 erreichen werden.
Sie kündigen aber auch an, die Belegschaft trotz geplanten Umsatzzuwachses nicht erhöhen zu wollen. Planen Sie Sparprogramme?
VANBYLEN Nein, denn wir arbeiten fortwährend an unserer Effizienz. Vor allem in der Produktion und Logistik ist die Automatisierung weit fortgeschritten. Gerade in Düsseldorf können Sie das sehen. Deshalb investieren wir auch viel. So erweitern wir gerade das erst vor drei Jahren gebaute vollautomatische Zentrallager für Wasch– und Reinigungsmittel.
Braucht Henkel in der digitalen Welt noch Leute ohne Hochschulexamen?
VANBYLEN Wir brauchen immer gute Mitarbeiter mit unterschiedlichen Erfahrungen und Qualifikationen. Genauso wichtig wie die Ausbildung ist die Bereitschaft, immer weiter zu lernen. Denn durch die Digitalisierung verändert sich fast jede Aufgabe. Daher wollen wir gezielt in die digitale Bildung unserer Mitarbeiter investieren.
Rorsted kündigte 2012 an, wieder größere Akquisitionen wagen zu wollen, doch erst Sie machten 2016 mit dem Kauf des US-Waschmittelher- stellers Sun für 3,2 Milliarden Euro ernst. Auch in diesem Jahr haben Sie schon wieder für mehr als eine Milliarde Euro Unternehmen gekauft. Geht die Shoppingtour nun weiter?
VANBYLEN Akquisitionen sind ein wichtiger Bestandteil unserer Wachstumsstrategie. Eine Akquisition muss strategisch passen. Der Preis muss stimmen. Und das Kaufobjekt muss verfügbar sein. Genauso wichtig wie die Auswahl der Akquisition ist aber auch die anschließende Integration in unsere Geschäfte. Bei der Eingliederung von Sun sind wir auf einem guten Weg.
Bayer bietet für Monsanto 66 Milliarden Dollar, weit mehr als die Hälfte vom eigenen Börsenwert. Sind solche Angebote bei Ihnen denkbar?
VANBYLEN Eher nicht. Im Klebstoffgeschäft sind wir bereits mit Abstand globaler Marktführer. In unseren Konsumgütergeschäften ist es hingegen wichtig, führende Positionen in den Märkten zu haben, in denen wir aktiv sind. Darum war für uns auch der Kauf von Sun so wichtig: Vorher waren wir die Nummer vier im US-Waschmittelmarkt. Jetzt sind wir eine starke Nummer zwei.
Würde neuer Protektionismus durch US-Präsident Trump Sie treffen?
VANBYLEN Die USA sind unser größter Markt, noch vor Deutschland und China. Wir produzieren mit etwa 8000 Mitarbeitern an rund 50 Standorten vor Ort für den USMarkt. Protektionistische Maßnahmen in den USA würden uns daher kaum direkt treffen.
Bleibt Henkel ohne mehr Zukäufe zu klein, um mit Giganten wie Procter & Gamble mitzuhalten?
VANBYLEN Im Klebstoffgeschäft sind wir mit Abstand der größte Anbieter weltweit. Bei Konsumgütern gehören wir in unseren aktiven Märkten auch zu den Marktführern. Doch Größe allein ist kein Selbstzweck. Manchmal führt das auch zu mehr Komplexität. Für uns ist Geschwindigkeit wichtiger als Größe. Wir haben den Vorteil, sehr schnell und flexibel handeln zu können.
Brauchen Sie ein Programm gegen Bürokratie im Konzern?
VAN BYLEN Nein, wir brauchen kein Programm. Es geht dabei viel mehr um die Einstellung und Haltung jedes Einzelnen. Ein Beispiel sind die zahlreichen Sitzungen, die es in jedem Konzern gibt. Da wollte ich auch ein Zeichen setzen. Deshalb habe ich beispielsweise drei regelmäßige Termine in größeren Runden abgeschafft. Man kann wichtige Themen auch einfacher entscheiden.
Zum Image eines modernen Konzerns gehört Familienfreundlichkeit. Aber laut einem Bericht des Betriebsrates mauert so mancher Vorgesetzte hier in Düsseldorf bei Teilzeitarbeit.
VANBYLEN Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist uns wichtig. Wir sind hier führend. Rund ein Drittel unserer Belegschaft sind Frauen – das gilt auch in Managementpositionen. Viele davon arbeiten auch in Teilzeit. Allein in Düsseldorf liegt die Teilzeitquote bei etwa 25 Prozent. Bei uns gibt es flexible Arbeitszeiten, die Leistung ist wichtiger als die ständige Präsenz. Wenn ein Vorgesetzter die Teilzeit ohne nachvollziehbaren Grund ablehnt, schauen wir uns das genau an. Wir haben zudem einen sehr konstruktiven Austausch mit dem Betriebsrat.
Sie wollen den digital erwirtschafteten Anteil am Umsatz von etwas mehr als zehn auf mindestens 20 Prozent verdoppeln. Kommt ein Shopping-Portal von Henkel?
VANBYLEN Im Klebstoffgeschäft betreiben wir mit großem Erfolg eine eigene Online-Handelsplattform für unsere Kunden in der Industrie. Im Konsumgütergeschäft dagegen setzen wir auf die enge Zusammenarbeit mit dem Handel statt auf eigene Plattformen. Wir kooperieren mit unseren Handelspartnern weltweit sowie mit den bekannten OnlineHändlern. Während in Europa der klassische Handel dominiert, verkaufen wir in China die Hälfte unserer Konsumgüter online.
Verbünden Sie sich mit den Onlinehändlern gegen klassische Händler?
VANBYLEN Überhaupt nicht. Wir wollen mit unseren starken Marken und unserer Kompetenz der bevorzugte Partner für beide sein. Wir beobachten hier auch ein Zusammenwachsen. Die traditionellen Handelsunternehmen bauen ihre eigenen Online-Plattformen aus. Online-Händler wie Amazon eröffnen eigene Läden oder kaufen Handelsunternehmen dazu. Die Kunden können online bestellen, holen sich aber die Ware in einer Filiale ab. M. BRÖCKER, A. HÖNING UND R. KOWALEWSKY FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.