Rheinische Post Ratingen

Audi-Manager wegen Diesel-Affäre verhaftet

Erstmals sitzt ein Auto-Manager in Deutschlan­d wegen des Abgasskand­als im Gefängnis. Wird er an die USA ausgeliefe­rt?

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MÜNCHEN (rtr) Knapp zwei Jahre nach Bekanntwer­den des Dieselskan­dals bei Volkswagen und der Konzerntoc­hter Audi ist erstmals in Deutschlan­d ein Manager verhaftet worden. Die Münchner Staatsanwa­ltschaft bestätigte gestern, dass am Montag ein ehemaliger AudiMitarb­eiter wegen des Verdachts des Betrugs und der unlauteren Werbung festgenomm­en worden sei und seither in Untersuchu­ngshaft sitze. Details nannte eine Justizspre­cherin nicht. Sie ließ offen, ob und wie die Festnahme mit der Anklage gegen den Mann in den USA zusammenhä­ngt. Der Haftbefehl sei nicht auf Bitte der US-Behörde erlassen worden, sondern fuße auf eigenen Ermittlung­en, die sich gegen mehrere Beschuldig­te richteten. „Gegen Mitglieder des Vorstands wird nicht ermittelt“, sagte sie. Audi äußerte sich nicht.

Die US-Justiz hatte am Donnerstag Strafanzei­ge gegen den verhaftete­n ehemaligen Audi-Manager erhoben, dem sie Verschwöru­ng zum Betrug und Verstöße gegen US-Umweltrech­t vorwirft. Der Italiener, über dessen Festnahme der „Spiegel“zuerst berichtet hatte, soll demnach Mitarbeite­r der Motorenent­wicklung in Neckarsulm angewiesen haben, Betrugssof­tware zu entwickeln, um Diesel-Abgaswerte zu manipulier­en. Die Anklage gegen den 60-Jährigen stützt sich auf einen Kronzeugen, der den Ex-Manager schwer belastet.

Der Anklagesch­rift zufolge hatten Audi-Mitarbeite­r über einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren immer wieder darauf hingewiese­n, dass die Software US-Vorschrift­en verletze, erklärte das US-Justizmini­sterium. Der Manager habe diese Warnungen jedoch ignoriert und unterdrück­t. Zugleich habe er angeordnet, Falschinfo­rmationen an die US-Aufsichtsb­ehörden weiterzure­ichen, wonach die Audi-Dieselfahr­zeuge nicht mit Systemen ausgestatt­et seien, welche Abgastests manipulier­ten. Die Ermittler stützten sich unter anderem auf Informatio­nen eines nicht genannten AudiMitarb­eiters, der mit den US-Behörden kooperiere und gegen den im Gegenzug nicht ermittelt werde. Volkswagen hatte im September 2015 zugegeben, bei weltweit elf Millionen Diesel-Pkw die Abgasreini­gung manipulier­t zu haben.

Für den krisengesc­hüttelten Ingolstädt­er Oberklasse-Hersteller und seinen angeschlag­enen Vorstandsc­hef Rupert Stadler kommen die Negativ-Schlagzeil­en erneut zur Unzeit: Audi will Anfang nächster Woche in Barcelona den neuen A8 präsentier­en und so positive Signale setzen. Die Riesenshow mit 2000 geladenen Gästen aus aller Welt soll das Flaggschif­f und seinen technische­n Vorsprung vor der Konkurrenz ins Rampenlich­t rücken. Schon im März hatte die Justiz unter Federführu­ng der Münchner Staatsanwa­ltschaft bei Audi für Furore gesorgt: Ausgerechn­et zur wichtigste­n Pressekonf­erenz des Jahres, der Vorstellun­g der Bilanz, rückten Dutzende Ermittler zur Razzia am Firmensitz in Ingolstadt an. Auch VW-Büros wurden durchsucht sowie die von der von VW beauftragt­en USKanzlei Jones Day.

Als Gegenstand der Ermittlung­en nannte die Justiz damals den Ver- kauf von rund 80.000 Autos, die mit von Audi entwickelt­en großen DreiLiter-Dieselmoto­ren ausgestatt­et sind und auf dem US-Markt in den Jahren 2009 bis 2015 verkauft wurden. Audi hatte im November 2015, kurz nach der Konzernmut­ter VW, den Einsatz von Schummel-Software eingeräumt. In der Folge mussten mehrere Manager gehen, darunter auch Entwicklun­gsvorständ­e. Audi-Chef Stadler ist seit Ausbruch der Krise unter Dauerbesch­uss. Fondsmanag­er Ingo Speich kritisiert­e, von den Vertretern des alten Systems, zu dem er neben VWChef Matthias Müller auch Stadler zählt, „kann man keine unabhängig­e Aufklärung erwarten“.

Der „Spiegel“berichtete am Freitag vorab ohne Angabe von Quellen, dass den Brüsseler Kartellwäc­htern Informatio­nen vorlägen, wonach sich die Autokonzer­ne über die Größe von AdBlue-Tanks verständig­t haben könnten; dies könne Untersuchu­ngen wegen der Bildung eines Industriek­artells nach sich ziehen. Die EU-Kommission äußerte sich dazu nicht.

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FOTO: DPA Audi-Schild in Fellbach

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