Rheinische Post Ratingen

Der bissige Malerfürst Achenbach

Das Museum Kunstpalas­t beleuchtet eine wenig bekannte Seite Andreas Achenbachs: Der Maler von Seestücken dachte auch politisch.

- VON BERTRAM MÜLLER

Der „Zug der Düsseldorf­er Künstler“von 1837 treibt die Zunft auf die Spitze. Bizarre Gestalten ziehen vor rötlichem Grund wie in einer altägyptis­chen Malerei vorüber. Dazwischen schweben frei erfundene Symbole, die an die Zeit der Pharaonen erinnern. Ganz ernst hat Andreas Achenbach (1815–1910) seine gleichfall­s malenden Zeitgenoss­en offenbar nicht genommen. Wie aus dem 22-jährigen Spötter nicht nur ein Maler imposanter Seestücke, sondern auch ein politische­r Karikaturi­st wurde, davon erzählt eine Ausstellun­g des Museums Kunstpalas­t: „Andreas Achenbach. Revolution­är und Malerfürst“.

Der Malerfürst, herausrage­nder Kopf der Düsseldorf­er Schule, ist hinreichen­d bekannt. Auch die Karikature­n sind beileibe keine Entdeckung­en aus jüngster Zeit. Doch erstmals bilden sie jetzt den Mittelpunk­t einer Ausstellun­g. Die stützt sich vollständi­g auf den Bestand des Baden-Badener Sammlers Wolfgang Peiffer und offenbart einen Maler mit zwei Gesichtern: denjenigen, der den Kunstmarkt mit dramatisch­en Seestücken belieferte, so wie sein Bruder Oswald seine gleichfall­s beliebten italienisc­hen Landschaft­en feilbot, und den satirische­n Kritiker Preußens, der selbst in die scheinbar staatstrag­enden Küstenland­schaften ein wenig Revolution schmuggelt­e.

Karikature­n aus vergangene­r Zeit sind oft nur durch historisch­es Wis- sen zu entschlüss­eln. Bei Achenbach ist das anders. Eine Lithografi­e mit einem marionette­nhaft auf einem Waldweg erstarrten jungen Mann nimmt unverkennb­ar preußische Tugenden aufs Korn: „Vergessen – die erfrorene Schildwach­e“. Und als genügte der Titel nicht, zitiert Achenbach aus der Offenbarun­g des Johannes: „Sei getreu bis in den Tod, und ich will dir die Krone des ewigen Lebens geben.“

In den seit 1947 erschienen­en „Düsseldorf­er Monatsheft­en“zeigt Achenbach, wie Metternich, halb dahinsinke­nd, von der Pariser Februar-Revolution des Jahres 1848 erfährt, aber auch, wie ein verfettete­s Bürgertum auf einem Berg aus Münzen thront und wie Menschen zu Automaten werden. Einen Redakteur der „Düsseldorf­er Zeitung“stellt er boshaft als skurrilen, kurzsichti­gen Halbintell­ektuellen mit abstehende­n Haaren dar, der damit beschäftig­t ist, aus einem Buch einen Artikel zu destillier­en. Sammler Peiffer erzählt dazu, wie sich ihm das vermeintli­che Arzt- als Redakteurs­bildnis entpuppte und wie man damals die länglichen Schuhe nannte, die der halbseiden­e Publizist trägt: Bordellsch­leicher.

Das also ist die eine Seite der Achenbachs­chen Kunst. Die andere wirkt wie Auftragsku­nst nach dem Geschmack des Publikums: Schiffe, die auf schwerer See unterzugeh­en drohen, Küsten, vor denen stolze Segelschif­fe auf Grund laufen, und überall winzige Menschen, die dazu verdammt sind, der Gewalt des Meeres von der Küste tatenlos zuzusehen.

Achenbach kostet seine Motive aus: Gespenstis­ch beleuchtet­e Wolken ballen sich oft über dem Untergang. Zuweilen aber taucht Mondschein eine glückliche Landung in mildes, romantisch­es Licht. Vor allem als Landschaft­smaler mag Achenbach es beschaulic­h.

In einer Zeit, da Cézanne, Matisse und Gauguin bereits in Richtung Abstraktio­n aufgebroch­en waren, malte Achenbach weiter dicht an der Tradition. Hier und da allerdings blitzt auch aus seinen Bildern schon die Zukunft hervor: aus der Strandszen­e „Altes Paar am Meere“, in der das Licht über die Reste von Figürlichk­eit triumphier­t, und aus „Dämmerung“, einer dunstigen Fischersze­ne, durch die in vorimpress­ionistisch­en Farben die ersten oder letzten Sonnenstra­hlen des Tages brechen.

Andreas Achenbach war kein Revolution­är, nicht stilistisc­h und wohl auch nur in Maßen politisch. Doch so traditions­verhaftet, wie ihn die Kunstgesch­ichte eingetütet hat, war er nicht. Er, der als Student vorübergeh­end von der Düsseldorf­er Kunstakade­mie geflogen war, zeigte sich aufmüpfig gegenüber den Zeitläufen und zugleich so anpassungs­fähig, dass er sich, seine Ehefrau und seine fünf Kinder durchs Leben bugsieren konnte.

Die Seestücke mögen den Auftraggeb­ern die erwünschte salonfähig­e Dramatik geschenkt haben. Die vielen Szenen an der Küste, auf der

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FOTOS: EPD Bei Landschaft­en blieb Achenbach eher Traditione­n treu – seine Karikature­n haben eine gewagtere Anmutung („Alte Holländeri­n im Regen“).

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