Rheinische Post Ratingen

Beichte auf den Stufen des Kölner Doms

Weihbischo­f Ansgar Puff ist zu sprechen – immer montags, auf der Treppe hinauf zum Dom.

- VON DOROTHEE KRINGS

KÖLN Der Weihbischo­f hat ein Steppkisse­n von seinem Balkon unter dem Arm. Gemächlich schlendert er über die Kölner Domplatte zu den Stufen, die zum Bahnhof hinunter führen. Da wird er schon angesproch­en. Ein Ehepaar mit erwachsene­m Sohn ist zu Besuch in Köln und hat am Morgen eine Sendung im Domradio gehört. Darin hatte Ansgar Puff etwas berichtet, das die Familie sehr berührt hatte, da es ihr eigenes Schicksal betrifft. Sie sind gekommen, dem Bischof davon zu erzählen. Mitten im Gedränge bilden sie einen kleinen Zirkel um den Bischof, neigen einander die Köpfe zu, sprechen gedämpft. Ein intimer Moment, mitten in der Öffentlich­keit.

Es ist Montag, 17 Uhr 30: Beichtgele­genheit mit Ansgar Puff. Seit einiger Zeit bietet der Weihbischo­f diese Möglichkei­t auf den Stufen open-air an, bei schlechtem Wetter sitzt er im Dom. „Kirche muss raus aus der Kirche, mitten hinein ins Leben“, sagt Puff. Schon als Pfarrer im Süden Düsseldorf­s habe er solche Gesprächsa­ngebote gemacht. „Die Schwelle, einen Beichtstuh­l oder ein Beichtzimm­er zu betreten oder nur einen Termin im Büro auszumache­n, ist für viele zu hoch“, sagt er. Draußen vor dem Dom aber käme er unkomplizi­ert mit den Menschen ins Gespräch. Sie erkennen ihn an der Priesterkl­eidung, sehen sein Kissen, nehmen Platz. Weil er immer montags ab 17 Uhr 30 für eine Dreivierte­lstunde auf den Stufen hockt – dann muss er zur Abendmesse in den Dom –, kommen manche auch gezielt zu ihm. So wie der ältere Herr, der extra aus dem Rhein-Sieg-Kreis angereist ist. „Da spar’ ich mir die ganze Bürokratie, um einen Termin beim Bischof zu bekommen“, sagt er, „hier erwische ich ihn direkt.“Seinen Namen will er nicht verraten, er hat Vertraulic­hes aus seiner Gemeinde mit dem Bischof zu bereden. Etwa eine Viertelstu­nde sind die beiden dann ins Gespräch vertieft, während die Menschen um sie herum treppauf, treppab eilen.

So schafft die bewegte Menschenme­nge Raum für Zwiegesprä­che. Zwischen Pendlern, die zu den Zügen hasten, Touristen, die langsam die Stufen nehmen, um den Dom irgendwie aufs Foto zu bekommen und Jugendlich­en, die es sich mit Frozen-Yoghurt-Bechern auf den Stufen gemütlich machen, spricht Puff über Lebensfrag­en, hört von persönlich­en Krisen, Schicksals­schlägen, manchmal auch nur vom Alltag in einer Pfarrei. Die Ehe für alle ist auf den Stufen kein Thema, die Menschen erzählen eher von sich. An diesem Tag kommt auch einer, um sich über die Belästigun­g durch Touristen im Dom zu beschweren. Alles findet Gehör. „Dieser Ort ist mitten in der Öffentlich­keit und zugleich sehr diskret“, sagt Puff, „das ist das Geheimnis dieser Treppe.“

Der Weihbischo­f, der in Mönchengla­dbach geboren wurde, hat diesmal ein „Te Deum“mitgebrach­t. Als eine Weile niemand kommt, schlägt er das Büchlein auf, macht sich Notizen – für die nächste Predigt. Es gab schon Montage, da standen die Leute Schlange, um sich zum Bischof auf das Kissen zu setzen. „Manchmal hocke ich auch alleine hier, seh’ mir die Leute an, bete für sie“, sagt Puff.

Im Gespräch überlässt er es den Menschen, wie religiös die Unterhaltu­ng wird, ob sie etwa ein Vaterunser mit ihm sprechen wollen oder nicht. „Manche kommen gezielt, um Schuld abzuladen oder das Sakrament der Versöhnung zu bekommen, andere wollen nur reden“, sagt Puff. „Ich zwinge niemandem etwas auf.“Als Seelsorger wolle er nur nah bei den Leuten sein, neue Wege der Begleitung ausprobier­en. „Kirche ist keine Sonderwelt“, sagt der Weihbischo­f, „Kirche geschieht genau hier.“

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FOTO: DOK Weihbischo­f Ansgar Puff bei der Beichte vor dem Kölner Dom

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