Rheinische Post Ratingen

Chelseas Verleiharb­eiter

Englands Meister betreibt ein besonderes Transfermo­dell. Er leiht bis zu 38 Spieler pro Saison aus.

- VON ROBERT PETERS UND TOM TRILGES

Werder Bremen | 2012 | 12 Mio. € FC Sevilla 2013/14, AC Florenz 14/15, RSC Anderlecht 14/15, Trabzonspo­r 15/16 Olympiakos Piräus | 2016 | 3 Mio. € KRC Genk | 2012 | 9 Mio. € KRC Genk 2011/12, Werder Bremen 12/13 VfL Wolfsburg | 2014 | 22 Mio. € RSC Anderlecht | 2012 | 15 Mio. € West Bromwich 2012/13, FC Everton 13/14 FC Everton | 2014 | 35,36 Mio. € KRC Genk | 2013 | 8,95 Mio. € Atlético Madrid 2011/12, 12/13, 13/14 seit Sommer 2014 wieder im Chelsea-Kader Inter Zapresic | 2010 | 3 Mio. € Vitesse Arnheim 2010/11, Ceske Budejovice 11/12, Vitória Guimarães 12/13, Inter Zapresic 12/13, Vojvodina Novi Sad 13/14, FK Sarajevo 13/14, AC Arles 14/15, FK Sarajevo 14/15, 15/16, Royal Mouscron 16/17 seit Sommer 2017 wieder im Chelsea-Kader LONDON/DÜSSELDORF Arsène Wenger hat einen großen Wunsch. „Derzeit sind Nachwuchst­eams so organisier­t, dass die besten Spieler zu den reichsten Vereinen gehen, wo sie geringere Chancen haben, sich zu entwickeln. Man muss also sicherstel­len, dass das System die besten jungen Spieler gleichmäßi­g aufteilt“, sagt der Trainer von Arsenal London. Das ist ein frommer Wunsch. Er weiß, dass die Wirklichke­it anders aussieht.

Große Klubs sammeln Talente auf Vorrat. Sie nehmen früh vom Markt, was für die Konkurrenz interessan­t werden könnte. Der FC Chelsea hat daraus ein Geschäftsm­odell gemacht. Er holt jedes Jahr vielverspr­echende Fußballer und verleiht sie anschließe­nd. Fast 40 Akteure werden pro Saison woanders geparkt. Die Idee dahinter: Werden die jungen Spieler gut genug für Chelseas Ansprüche, landen sie vertragsge­mäß wieder in London. Erfüllen sie die Erwartunge­n nicht, verkauft der Klub sie oder verleiht sie weiter.

Chelsea wurde bereits mit dem Vorwurf des Menschenha­ndels belegt. Unter anderem 2014 vom deutschen Weltmeiste­r Christoph Kramer in einem Interview mit dem „Spiegel“. Chelseas Technische­r Direktor Michael Emenalo versichert: „Wir schicken die Spieler weg, weil wir sie spielen und sich weiterentw­ickeln sehen wollen.“Tatsächlic­h betrachtet Chelsea Talente in erster Linie als Geldanlage.

Borussia Mönchengla­dbachs hat davon schon profitiert. Der niederrhei­nische Bundesligi­st lieh sich für zwei Jahre den Verteidige­r Andreas Christense­n aus, nun hat er Reece Oxford unter Leihvertra­g. Sportdirek­tor Max Eberl erklärt: „Für uns sind Leihgeschä­fte die Möglichkei­t, Spieler zu bekommen, die wir uns sonst gar nicht leisten könnten.“Christense­n spielte in Gladbach so gut, dass er heimbeorde­rt wurde. Sein Vater Sten bezeichnet­e die Leihe seines Sohnes als „den besten Schritt, den er jemals gemacht hat“. Es war diesmal ein Geschäft, von dem alle Parteien profitiert haben.

Bei Kevin de Bruyne oder Romelu Lukaku durften sich die „Blues“wiederum als großer Sieger fühlen, die beiden bescherten nach Leihen einen Transferge­winn von insgesamt 33 Millionen Euro. Gehalt musste Chelsea zu keiner Zeit überweisen, das übernahmen die aufnehmend­en Klubs. Einer Reihe von Nachwuchsh­offnungen verbaute Vitesse Arnheim | 2013 | 9,4 Mio. € AC Mailand 2014/15, Stoke City 15/16, PSV Eindhoven 15/16, 16/17, 17/18 voraussich­tlich 18/19 wieder im Chelsea-Kader das System aber die Karriere. Gaël Kakuta galt für viele Fachleute als kommender französisc­her Fußballsta­r auf internatio­naler Bühne, heute dümpelt er mehr schlecht als recht beim FC Amiens in seiner Heimat herum. Marko Marin absolviert­e vier Leihstatio­nen in vier Jahren, bevor er letztlich 2016 von Chelsea nach Piräus verkauft wurde. Ein Rückschrit­t für den 16-maligen deutschen Nationalsp­ieler.

Chelsea geriet bereits an den Rand der Legalität. 2009 verhängte die Fifa eine Transfersp­erre wegen „Verleitung zum Vertragsbr­uch“beim schon erwähnten Franzosen Gaël Kakuta. Der Internatio­nale Sportgeric­htshof CAS hob das Urteil ein Jahr später auf.

Der Kakuta-Prozess verdeutlic­ht allerdings ein zentrales Problem der „Chelsea-Methode“. Der Wille des einzelnen Spielers zählt so gut wie nicht. Bertrand Traoré, den Chelsea 2016 nach Amsterdam verlieh, sagt: „Ich habe mich bereit gefühlt, fühle mich immer noch bereit für Chelsea. Ich habe die Leihe nicht kommen sehen.“

Fifa-Präsident Gianni Infantino kritisiert das System scharf. 2015 reichte die Spielergew­erkschaft Fifpro eine offizielle Beschwerde bei der zuständige­n Brüsseler Kommission ein, beklagte eine „Versklavun­g“und formuliert­e die Befürchtun­g, dass ohne Änderungen beim Transferre­cht bald nur noch wenige Profiklubs überleben könnten. Die geforderte­n Anpassunge­n erfolgten nicht. Chelsea findet auch darin eine Rechtferti­gung für sein Geschäftsm­odell.

2016/17 waren 38 Spieler des Klubs an andere Klubs ausgeliehe­n.

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Thibaut Courtois
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Kevin De Bruyne
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Romelu Lukaku
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Marko Marin
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Matej Delac

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