Rheinische Post Ratingen

Klingende Bibliothek in Lierenfeld

Bujan Vuletic vertont Erzählunge­n von Murakami und Borges.

- VON CLAUS CLEMENS

Das Sommerfest­ival „Asphalt“brachte zwei der berühmtest­en Bibliothek­en nach Lierenfeld. Der Argentinie­r Jorge Luis Borges und der Japaner Haruki Murakami entwarfen in Erzählunge­n ganz unterschie­dliche Visionen von den Orten, wo man das Wissen sammelt und aufbewahrt. Hieraus machte der serbische Komponist Bujan Vuletic den siebten Teil seiner musikalisc­hen Reihe „Recomposin­g Art“. Borges hat in der „Bibliothek von Babel“den Traum einer Universalb­ibliothek entworfen, in der sämtliches Wissen archiviert ist. Seine Bibliothek ist unendlich, für die Ewigkeit gedacht. Murakamis „Unheim- liche Bibliothek“hingegen ist ein kafkaesker Alptraum. Dort gerät ein bildungshu­ngriger Junge im unterirdis­chen Labyrinth der Stadtbibli­othek in das Verlies eines Bibliothek­ars, der scharf ist auf sein Gehirn.

Es war Murakamis kleines Büchlein, das für Bojan Vuletic zum musikalisc­hen Ideengeber wurde. „Als ich die Erzählung zum ersten Mal las, konnte ich noch nichts mit ihr anfangen“, erklärte der Komponist in der Glashalle auf der Ronsdorfer Straße. Doch nach erneuter Lektüre und in der Kombinatio­n mit Borges wurde daraus ein einstündig­es Werk für Streichqua­rtett, Vibraphon, Saxophon, Querflöte und Trompete. Bereits vorher hatte er von Arbeiten aus den Bereichen Poesie, Kunst, Fotografie, Film, Theater und Tanz in eine neue musikalisc­he Form gebracht. Grundlage von „The Strange Library (of Babel)“ist jetzt die Literatur. Sein Werk trägt die Nummer sieben, die in der babylonisc­hen Kultur sowohl als Unglücks- wie auch als Lebenszahl galt.

Für die Uraufführu­ng hatte Vuletic namhafte Musiker gewinnen können. Das Streichqua­rtett „Milos“kam aus New York nach Lierenfeld. In der Kombinatio­n mit den weiteren Instrument­en erlebte man eine Mischung disparater Stimmungen. Für eine babylonisc­he Sprachverw­irrung sorgte der Einfall, den Borges-Text von den Musikern in ihrer Mutterspra­che lesen zu lassen. Begeistert­er Applaus.

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