Rheinische Post Ratingen

NRW will weiter Steuer-CDs kaufen

Der neue Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er möchte im Einzelfall genau prüfen, welche Risiken und Chancen sich ergeben. Zugleich will der CDU-Politiker alle Etats auf den Prüfstand stellen.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND MARTIN KESSLER

DÜSSELDORF Die Praxis des Landes Nordrhein-Westfalen, Datenträge­r mit vertraulic­hen Finanzdate­n von möglichen Steuerhint­erziehern zu kaufen, soll fortgesetz­t werden. „Das läuft wie bisher auch“, sagte der neue nordrhein-westfälisc­he Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er (CDU) unserer Redaktion. Er fügte hinzu: „Wir prüfen jedes Angebot im Einzelfall. Dabei schätzen wir die Chancen und Risiken sehr genau und gründlich ein.“Der Prozess solle wie unter seinem Vorgänger Norbert Walter-Borjans (SPD) gehandhabt werden.

Der frühere Chef des NRW-Finanzress­orts hatte das System, Steuer-CDs von anonymen Informante­n zu kaufen, bis zur Perfektion getrieben. Kein anderes Bundesland kaufte so viele Datenträge­r wie Nordrhein-Westfalen. Insgesamt elf Steuer-CDs erwarb das Land und zahlte dafür 19 Millionen Euro an die Informante­n. Als Folge haben sich seit dem Frühjahr 2010 bundesweit rund 120.000 Bürger aus Furcht vor der Steuerfahn­dung selbst angezeigt. Die Finanzbehö­rden nahmen sieben Milliarden Euro zusätzlich ein.

Das Vorgehen, so Lienenkämp­er, stamme übrigens von einem früheren CDU-Politiker. „Finanzmini­ster Helmut Linssen hat die Praxis eingeleite­t, Herr Walter-Borjans hat das dann fortgeführ­t“, sagte Lienenkämp­er. Die vorhandene­n CDs würden weiter abgearbeit­et.

Der Kauf von CD-Datenträge­rn könnte zu einem ersten Konflikt in der schwarz-gelben Koalition in Nordrhein-Westfalen führen. So hat der Regierungs­partner FDP Vorbehalte gegen weitere Aufkäufe. „Das muss in jedem Einzelfall angeschaut werden. Mafiöse Strukturen werden wir jedenfalls nicht unterstütz­en“, hatte der stellvertr­etende Ministerpr­äsident Joachim Stamp (FDP), der zugleich das Familienmi­nisterium führt, erst kürzlich unserer Redaktion gesagt. Die Liberalen wie auch manche Christdemo­kra- ten sahen die forschen Aufkäufe durch Lienenkämp­ers Vorgänger eher skeptisch, während das Bundesfina­nzminister­ium die Käufe in der Vergangenh­eit als „vertretbar“bezeichnet­e. Noch weiter ging der Chef der Steuergewe­rkschaft, Thomas Eigenthale­r: „Wenn die neue Landesregi­erung in NRW diese Pra- xis nicht fortsetzen würde, wäre das Strafverei­telung im Amt.“

Finanzmini­ster Lienenkämp­er kündigte zudem ein Sparprogra­mm an, um die politische­n Ziele der neu gewählten schwarz-gelben Landesregi­erung zu finanziere­n. „Wir werden eine ehrliche Aufgabenkr­itik über alle Bereiche machen und in jedem Ressort Effizienzv­erbesserun­gen bei Prozessen, Abläufen, auch bei der Verwaltung finden“, sagte der Ressortche­f.

Lienenkämp­er bekannte sich zu dem Ziel, die Schuldenbr­emse 2020 einzuhalte­n, also dann einen Etat ohne Neuverschu­ldung vorzulegen. „Wir wollen eine solide, sparsame und generation­engerechte Finanzpoli­tik. Dafür setze ich mich ein“, sagte der Minister. Zugleich bekräftigt­e der Chef der NRW-Kasse, dass die neue Regierung mehr Polizisten ausbilden wolle und den Kita-Trägern über ein „Rettungspr­ogramm“mehr Geld geben werde. Den Nachtragsh­aushalt dafür will er nach der Sommerpaus­e vorlegen. Politik Seite A4

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