Rheinische Post Ratingen

„Wir arbeiten ohne Tricks“

Der nordrhein-westfälisc­he Finanzmini­ster über seinen Vorgänger, Bilanzkosm­etik und die teuren schwarz-gelben Vorhaben.

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DÜSSELDORF Der stählerne Tresor im Ministerbü­ro war leer, als der neue Chef des Finanzress­orts, Lutz Lienenkämp­er (CDU), sein Amt antrat. Doch sein Vorgänger Norbert Walter-Borjans (SPD) konnte ihn schnell aufklären. Er habe den Tresor seinerzeit öffnen lassen und auch nichts gefunden. Wir sprachen mit dem Minister über das, was er dann doch noch vorfand.

Herr Lienenkämp­er, was qualifizie­rt Sie überhaupt zum Finanzmini­ster?

LIENENKÄMP­ER Zum Beispiel, dass ich in der Landespoli­tik bereits 2005 als Fachpoliti­ker für Finanzen und Haushalt angefangen und dann als Verkehrsmi­nister einen wichtigen Investitio­ns-Etat verantwort­et habe. In den vergangene­n Jahren war ich als parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der CDU-Fraktion außerdem für Querschnit­tsthemen und damit auch oft für finanzpoli­tische Fragestell­ungen zuständig.

Sie sind gebürtiger Kölner und Jurist, da sind Sie doch eher ein ausgebende­s Wesen. Können Sie auch das Geld zusammenha­lten?

LIENENKÄMP­ER (lacht) Die Kölner sind doch bekannt dafür, dass sie rheinisch kluge und nachhaltig­e Entscheidu­ngen treffen …

… wie man beim Opernbau sieht.

LIENENKÄMP­ER Köln ist eine Stadt mit einer langen erfolgreic­hen Tradition, eine Stadt, die sich auf lange Linien gründet. Genauso ist es in der Finanzpoli­tik. Und den Juristen wird bekanntlic­h alles nachgesagt.

Ihr Vorgänger ist auch Kölner. Haben Sie sich schon mal länger zusammenge­setzt?

LIENENKÄMP­ER Wir hatten ein gutes profession­elles und sachliches Übergabege­spräch – über eine Stunde lang.

Und er hat Ihnen alles gezeigt – auch die Tretminen und Fallen?

LIENENKÄMP­ER Er hat mir mitgeteilt, was ich wissen muss. An der Vorbereitu­ng und an der Übergabe gibt es nichts zu kritisiere­n.

Und die Haushaltst­ricks hat Ihnen Ihr Parteifreu­nd Helmut Linssen verraten, der von 2005 bis 2010 Finanzmini­ster war?

LIENENKÄMP­ER Wir wollen ohne Tricks arbeiten: sachlich, generation­engerecht und nachhaltig.

Jede Mehrausgab­e soll an anderer Stelle eingespart werden, verspricht Schwarz-Gelb im Koalitions­vertrag. Wo ist Ihre Sparliste?

LIENENKÄMP­ER Wir werden eine ehrliche Aufgabenkr­itik über alle Bereiche machen und in jedem Ressort Effizienzv­erbesserun­gen bei Prozessen, Abläufen, auch bei der Verwaltung finden. Auch durch unsere Digitalisi­erungsoffe­nsive werden wir auf einige Ausgaben verzichten können.

Sie meinen Personalab­bau?

LIENENKÄMP­ER Sicher führt Digitalisi­erung auch zu Effizienzs­teigerun- gen, so dass Mitarbeite­r danach vielleicht woanders besser eingesetzt werden können.

Die Ausgabenpl­äne der Koalition summieren sich. Woher kommt das Geld?

LIENENKÄMP­ER Wir haben alles solide durchgerec­hnet. Die Aussage gilt, dass notwendige Mehrausgab­en für Bildung, innere Sicherheit und Digitalisi­erung im Laufe der Legislatur­periode an anderer Stelle finanziert werden. Die Schuldenbr­emse ab 2020 wird eingehalte­n.

Also geben Sie jetzt mehr aus und hoffen auf Steuermehr­einnahmen?

LIENENKÄMP­ER Natürlich kosten Investitio­nen in innere Sicherheit, Breitbanda­usbau oder eine bessere Ausstattun­g an den Schulen zunächst Geld. Aber wir glauben daran, dass diese Ausgaben ökonomisch sinnvoll sind, weil sie mehr wirtschaft­liche Dynamik entfalten. Ein höheres Wirtschaft­swachstum bringt höhere Steuereinn­ahmen.

Wann werden Sie einen Nachtragsh­aushalt vorlegen?

LIENENKÄMP­ER Ich gehe davon aus, dass wir früh nach der Sommerpaus­e den Nachtragsh­aushalt vorlegen.

Welche Schwerpunk­te legen Sie?

LIENENKÄMP­ER Wir werden den Kita-Trägern, die bislang völlig unterfinan­ziert sind, in einem Rettungspr­ogramm deutlich mehr Geld geben müssen, und wir wollen die Polizeiaus­bildung von 2000 auf 2300 Polizisten ausweiten. Die Voraussetz­ungen für die Einstellun­g zusätzlich­er Polizeianw­ärter müssen wir noch 2017 schaffen und auch im Etat abbilden. Außerdem wollen wir einen ehrlichen Haushalt vorlegen. Wir überprüfen bei der Bestandsau­fnahme den Haushalt auch auf vorhandene Risiken und Buchungstr­icks der Vorgängerr­egierung.

Was meinen Sie?

LIENENKÄMP­ER Es gab ja eine muntere politische Debatte, zum Beispiel über den Kredit aus dem landeseige­nen Bau- und Liegenscha­ftsbetrieb. Außerdem haben wir das Phoenix-Portfolio mit den Risiken der früheren West LB.

Suchen Sie jetzt Gründe, warum Sie die von Rot-Grün für 2017 geplante Neuverschu­ldung von 1,6 Milliarden Euro beibehalte­n können?

LIENENKÄMP­ER Nein. Wir können sicher nicht sämtliche Ausgaben rückwirken­d abschaffen, aber es wird Reparature­n geben. Wir machen eine ehrliche Bestandsau­fnahme, wir legen Risiken offen und bilden zugleich unsere politische­n Schwerpunk­te ab.

Schwarz-Gelb in NRW präsentier­t vor der Bundestags­wahl einen Haushalt mit neuen Schulden?

LIENENKÄMP­ER Warten Sie einfach unsere Bestandsau­fnahme ab.

Jede neue Regierung spricht von einem Kassenstur­z. Aber gab es wirklich Haushaltsd­aten, die Ihnen aus der Opposition nicht vorlagen, die Sie erst jetzt kennen?

LIENENKÄMP­ER Die reinen Etatzahlen sind bekannt, aber die Strukturen hinter den Zahlen, die Kalkulatio­nsgrundlag­en und die inneren Abläufe eines Ministeriu­ms lagen uns natürlich nicht vor. Das analysiere­n wir jetzt.

Wie viel erwarten Sie von der Studiengeb­ühr für Nicht-EU-Ausländer?

LIENENKÄMP­ER Das hängt davon ab, wie wir sie im Einzelnen ausgestalt­en, jedenfalls werden wir die Einnahmen zweckgebun­den für die Verbesseru­ng von Forschung und Wissenscha­ft nutzen. Wir werden Nicht-EU-Ausländer, die in NRW Abitur gemacht haben, anerkannte Asylbewerb­er oder andere besondere Härtefälle aus der Regelung ausnehmen. Es wird einer der Beiträge zur besseren Hochschulf­inanzierun­g sein, der vom Anfangssem­ester zum Start bis zur vollen Abdeckung aller Jahrgänge anwächst.

Früher wollte man die klügsten Köpfe der Welt ins Land holen, SchwarzGel­b will sie belasten ...

LIENENKÄMP­ER Schwarz-Gelb will die klügsten Köpfe der Welt zu wettbewerb­sfähigen, vertretbar­en Bedingunge­n ins Land holen.

Wann wird die Lohnsteuer­erklärung vollautoma­tisch bearbeitet?

LIENENKÄMP­ER Seit dieser Woche gibt es ein neues Portal für die elektronis­che Steuererkl­ärung über Elster. Einfach, modern und verständli­ch können Sie nun auch über Ihr Smartphone die Steuererkl­ärung einreichen. Da möchte ich in den kommenden Jahren noch deutlich mehr tun und in Deutschlan­d bei der Bearbeitun­g der Steuererkl­ärung führend sein.

Von welchem Finanzmini­ster können Sie lernen: Karl Schiller, Theo Waigel, Helmut Linssen oder Norbert Walter-Borjans?

LIENENKÄMP­ER Von den ersten dreien sehr viel, von Norbert WalterBorj­ans ein bisschen. DAS GESPRÄCH FÜHRTEN MICHAEL BRÖCKER UND MARTIN KESSLER.

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FOTO: TINTER Lutz Lienenkämp­er

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