Rheinische Post Ratingen

Der ungeklärte Absturz des Tigers

Nach dem Absturz des deutschen Kampfhubsc­hraubers im Mali-Einsatz schließen Experten bisher nur eine Fremdeinwi­rkung aus. Die Verteidigu­ngsministe­rin zeigt sich tief berührt und lässt nun nach den Ursachen forschen.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN „Leider muss ich Ihnen heute eine traurige Mitteilung machen...“Es ist passiert, was Ursula von der Leyen vom ersten Tag im Amt der Verteidigu­ngsministe­rin befürchtet hat: Soldaten sind im Einsatz gestorben. Tief erschütter­t spricht sie von der „traurigen Gewissheit, dass zwei Soldaten der Bundeswehr im Dienst für unser Land ihr Leben gegeben haben“, und dass sie sich „unendlich traurig“vor der Leistung und dem Opfer der Soldaten verneige. „Meine Gebete und mein tiefes Mitgefühl gelten den Familien, Freunden und Kameraden“, bekundet die Ministerin nach dem Absturz eines Tiger-Hubschraub­ers am Mittwoch in Mali.

Ein knappes Jahr zuvor in Fritzlar, am Standort der Tiger und ihrer Piloten. Von der Leyen ist nach Hessen geflogen, um die neue Einsatzber­eitschaft zu loben. Lange war öffentlich gespottet worden, von der Leyen stehe für Gewehre, die nicht schießen, Panzer, die nicht fahren, und Hubschraub­er, die nicht fliegen. Nun fliegt wieder jeder zweite. Und die Ministerin deutet auch an, wohin: nach Mali. Wenn Anfang 2017 die Niederländ­er mit ihren Helikopter­n das afrikanisc­he Bürgerkrie­gsland verlassen, könnte Deutschlan­d einspringe­n.

Weitere anderthalb Jahre zuvor, Sicherheit­skonferenz in München. Von der Leyen bekundet, den „weltweiten, anstrengen­den, oft schmerzhaf­ten und auch harten Einsatz für Menschenre­chte, Demokratie und Freiheit“nicht allein anderen Nationen zu überlassen.

Wie eng hängen diese drei Szenen zusammen? Mussten die Piloten mit technisch unzuverläs­sigem Gerät in den gefährlich­sten Einsatz der Vereinten Nationen ziehen, damit Deutschlan­d Flagge zeigen kann? Schnell werden Stichworte zu Gerüchten. Das erste kommt von den UN selbst: Sie sprechen von einem Absturz über umkämpftem Gebiet. Abmessung 5,2m Höchstgesc­hwindigkei­t 2900 km/h h Einsatzdau­er bis 3,1 Stunden 14m Einsatzrei­chweite bis 725 km Das ist schnell zu widerlegen, es gab keinen Abschuss. Zwei Tiger waren erst noch auf dem Weg zu einem umkämpften Gebiet. Die Hubschraub­er flogen dicht hintereina­nder, einer davon kippte plötzlich und ohne Notruf nach vorne. Im Sturzflug landete der Tiger auf dem Boden, zerschellt­e und brannte aus. Die beiden Piloten hatten keine Überlebens­chance.

Ein Pilotenfeh­ler? Der Verdacht wird genährt von Hinweisen auf zu wenig geschultes Personal, Lücken in der Ausbildung und eine Überlastun­g der Piloten. Auch SPD-Verteidigu­ngsexperte Rainer Arnold spricht von den Folgen der Streich- Kann andere Luftfahrze­uge unbemerkt orten Besatzung 2 Mann (Pilot und Schütze) politik, bei der „mit dem Rasenmäher Personal“eingespart worden sei. Aus dem Ministeriu­m verlautet, dass die beschriebe­nen Probleme mit Tiger-Ausbildern damit zusammenhi­ngen, dass die besten und erfahrenst­en Piloten in Mali seien und deshalb in Deutschlan­d nicht zur Verfügung stünden.

Ein technische­r Defekt also? Schnell wird daran erinnert, dass die Bundeswehr selbst das System Tiger als „nicht einsatzrei­f“einstuft. Erläuternd heißt es aber, dass das System für einzelne, zeitlich begrenzte Verwendung­en durchaus ausreiche. Und die Probleme des Tigers bei großer Hitze? Bis 48 Grad sei ein Flug mit den Hubschraub­ern noch verantwort­bar. Zum Zeitpunkt des Absturzes seien 39 Grad gemessen worden.

Weil es also konkretere Hinweise noch nicht gibt, bleibt den in einer Telefonsch­alte informiert­en Obleuten des Verteidigu­ngsausschu­sses vorerst die öffentlich­e Bekundung ihrer Trauer um den Tod der Soldaten und die Forderung nach einer schnellen und gründliche­n Aufklärung. Die Bundeswehr hat bereits sämtliche Tiger-Flüge gestoppt. Es sei denn, sie sind nötig, um Leib und Leben zu retten.

Der Chef des Einsatzfüh­rungskomma­ndos, General Erich Pfeffer, Bewaffnung 4 Luft/LuftFlugkö­rper Stinger bis zu 8 Panzerabwe­hrflugkörp­er bis zu 8 Panzerabwe­hr flugkörper Hot3 bis zu 38 ungelenkte Raketen mit verschiede­nen Gefechtskö­pfen bis zu 2 schwere Maschineng­ewehre 12,7 mm mit je 400 Schuss geht in Gao, dem Stationier­ungsort der 875 Bundeswehr­soldaten in Mali, zusammen mit einem Flugsicher­heits-Team den Ursachen nach. Sie wollen den Crash-Rekorder auswerten. Die Soldaten seien schockiert, heißt es aus dem Camp Castor. Am 5. Mai kam es hier zum ersten Einsatz der Tiger. Zwei Hubschraub­er der Bundeswehr sollten für die UN eine Situation einschätze­n, um 13.000 Blauhelmso­ldaten und 2000 Polizisten besser einsetzen zu können. Mehrere Hundert Flugstunde­n sind seit dem 5. Mai dazugekomm­en. Bis zu jenem Flug, der nach 70 Kilometern so tragisch endete.

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QUELLE: BUNDESWEHR | FOTO: DPA | GRAFIK: FERL

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