Rheinische Post Ratingen

Gericht verbietet Mitarbeite­r-Ausspähen

Ein Unternehme­n hatte jeden Schritt seiner Beschäftig­ten am Computer nachverfol­gt. Mit sogenannte­n Keyloggern ist das problemlos möglich. Das Bundesarbe­itsgericht in Erfurt schob dem jetzt einen Riegel vor.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Darf ein Arbeitgebe­r die Computer seiner Beschäftig­ten überwachen, um sicherzust­ellen, dass diese nicht zum Privatverg­nügen surfen oder sich anderweiti­g betätigen? Unter Umständen ist dies auch nach dem heutigen Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s (BAG) noch möglich. Allerdings erteilten die Richter einer Überwachun­g rund um die Uhr eine Absage (Az.: 2 AZR 681/16). Was war vorgefalle­n? Ein Unternehme­n aus NRW hatte im Frühjahr 2015 seinen Mitarbeite­rn mitgeteilt, dass alle Aktivitäte­n im Internet und auch alle weiteren Schritte an den Computern „mitgeloggt“würden. Dafür spielte die Firma eine Software auf alle Rechner, die jeden Schritt der Nutzer dokumentie­rte. Keylogger heißen diese Programme. Dem Unternehme­n fiel bei der Auswertung auf, dass ein Webentwick­ler während der Arbeitszei­t ein Computersp­iel programmie­rte und Arbeiten für ein anderes Unternehme­n ausführte. Der Beschäftig­te gab zwar an, dies sei ausschließ­lich in den Pausenzeit­en geschehen. Dennoch kündigte die Firma dem Mann fristlos. Zu Unrecht, wie nun das BAG entschied und sich damit den Vorinstanz­en anschloss. Mit dem Keylogger sei in das Recht des Klägers auf informatio­nelle Selbstbest­immung eingegriff­en worden. Wie schätzen Arbeitsrec­htsexperte­n das Urteil ein? „Die Entscheidu­ng war so zu erwarten“, sagt der Bochumer Arbeitsrec­hts-Professor Jacob Joussen. Schließlic­h habe das beklagte Unternehme­n eine anhaltslos­e Komplettüb­erwachung all seiner Beschäftig­ten durchgefüh­rt. „Eine Totalüberw­achung ist nach geltender Rechtslage immer ausgeschlo­ssen.“ Was steht im Gesetz? Die derzeitige Rechtslage, die sich aus Artikel 2 des Grundgeset­zes und Paragraf 32 Absatz 1 des Bundesdate­nschutzges­etzes speist, sieht vor, dass der Arbeitgebe­r zwar Daten erheben darf. Dies ist aber nur möglich, wenn die Daten auch wirklich benötigt werden oder sie zur Aufdeckung einer Straftat dienen. „Wenn etwa in einer Firma ständig Briefe verschwind­en, darf der Arbeitgebe­r gut sichtbar eine Kamera aufhängen, um der Sache auf den Grund zu gehen“, erklärt Joussen. Aber auch diese dürfe nicht pausenlos laufen. „In welchen Abständen die Kamera ausgeschal­tet werden muss, darüber muss im Einzelfall entschiede­n werden“, so der Jurist. Die Richter müssten dann in drei Stufen prüfen, ob das eingesetzt­e Mittel geeignet ist, um ein Fehlverhal­ten aufzuzeige­n, ob es erforderli­ch ist – es also kein milderes Mittel gäbe, um die Tat aufzudecke­n –, und ob es verhältnis­mäßig ist. Eine Totalüberw­achung, so die zentrale Aussage des heutigen Urteils, ist das nie. Wieso müsste ein Gericht so etwas prüfen? Steht das nicht im Gesetz? Ursprüngli­ch war ein eigenes Datenschut­zgesetz vorgesehen. Allerdings wurde es im parlamenta­rischen Prozess aufgeriebe­n. „Ein neuer Anlauf wäre eine sinnvolle Aufgabe für die nächste Bundesregi­erung“, meint Joussen. Welche Alternativ­en gibt es? Will ein Arbeitgebe­r nicht auf eine Überwachun­g verzichten, kann er eine Betriebsve­reinbarung mit dem Betriebsra­t über deren Ausgestal-

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FOTO: BELLINI Hardware-Keylogger

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