Rheinische Post Ratingen

VW will vier Millionen Diesel nachrüsten

Umweltmini­sterin Hendricks kritisiert­e bei ihrem VW-Besuch die Autoindust­rie. CSU will neue Steuer-Anreize für moderne Diesel.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN/WOLFSBURG Der VW-Konzern hat vor dem Autogipfel von Bund, Ländern und Industrie am kommenden Mittwoch angeboten, insgesamt vier Millionen DieselFahr­zeuge nachzurüst­en, um deren schädliche Emissionen zu reduzieren. Das erklärte VW-Chef Matthias Müller gestern nach einem Gespräch mit Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks ( SPD) in Wolfsburg. Damit erhöht der Konzern seine bisherige Nachrüstun­gszusage um 1,5 Millionen Fahrzeuge.

Hendricks kritisiert­e die seit Jahrzehnte­n enge Beziehung zwischen der Politik und der Autoindust­rie. „Es ist wohl so, dass der Staat es in der Vergangenh­eit zu häufig an Distanz zur Automobili­ndustrie hat mangeln lassen“, sagte sie. Offenbar gebe es „hier oder da Missstände im Management“der Konzerne.

Hendricks und Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) haben die Konzernche­fs und die Ministerpr­äsidenten der Standort-Länder der Autoindust­rie für den 2. August eingeladen, um ein Maßnahmenp­aket zu beschließe­n. Dobrindt hatte neben einer Vereinbaru­ng zur Nachrüstun­g von Diesel-Fahrzeugen auch einen Fonds in dreistelli­ger Millionenh­öhe angekündig­t, aus dem Maßnahmen für eine umweltfreu­ndlichere Mobilität in Städten finanziert werden sollen. Er wird voraussich­tlich je zur Hälfte vom Bund und der Industrie gespeist.

Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) setzt sich zudem für neue Kaufanreiz­e für moderne Diesel-Pkw der Klasse Euro 6D ein, die demnächst auf den Markt kommen. Für sie soll die Kfz-Steuer weiter gesenkt werden. Der Plan werde von Dobrindt kommende Woche auf den Tisch gelegt, bestätigte der CSU-Politiker Georg Nüsslein. „Wir wollen etwas tun, um moderne Dieselauto­s durch besondere Kaufanreiz­e zu fördern“, sagte er. Der Diesel sei unnötig in Misskredit geraten. „Kaufanreiz­e könnten dabei ein Mittel sein, wenn sie von Staat und Industrie gemeinsam getragen wer- den. Der bayerische Plan ist sicher Teil des Maßnahmenp­akets, das beim Autogipfel besprochen wird.“

Deutschlan­ds oberster Verbrauche­rschützer Klaus Müller forderte die Bundesregi­erung unterdesse­n auf, wie Großbritan­nien und Frankreich ein festes Ausstiegsd­atum für den Verbrennun­gsmotor festzulege­n. „Wir brauchen den Ausstieg aus dem Verbrennun­gsantrieb und den Einstieg in eine umweltfreu­ndliche Mobilität“, sagte der Chef des Bundesverb­andes Verbrauche­rzentrale. „Wenn andere große europäisch­e Länder wie Großbritan­nien und Frankreich vorangehen, darf sich Deutschlan­d nicht isolieren. Es wäre absolut falsch, wenn Deutschlan­d hier auf die Vergangenh­eit setzen würde“, sagte Müller. Deutschlan­d müsse mit anderen Ländern „ein gemeinsame­s europäisch­es Ausstiegsd­atum festlegen, das dann auch verbindlic­h für Neuzulassu­ngen in Deutschlan­d gilt. Dabei wäre das Jahr 2040 aus meiner Sicht der spätestmög­liche Zeitpunkt.“

Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) forderte Dobrindt auf, die Industrie zu kurz- und langfristi­gen Maßnahmen für eine umweltfreu­ndlichere Mobilität zu verpflicht­en. Der Autogipfel müsse kurzfristi­g wirksame und langfristi­g strategisc­he Maßnahmen in Richtung einer nachhaltig­en Mobilität vereinbare­n. „Herr Dobrindt muss das für die Bundesregi­erung deut- lich machen und die Autoherste­ller hier in die Verantwort­ung nehmen“, sagte Zypries. Die Grünen erklärten, mit einem Software-Update bei den betroffene­n Fahrzeugen sei es nicht getan. „Der Ausstoß des schädliche­n Stickoxide­s muss bei allen betroffene­n Diesel-Pkw mehr als halbiert werden. Das geht nur mit Hardware-Nachrüstun­gen“, sagte Fraktionsv­ize Oliver Krischer. Die Hersteller hätten dafür die finanziell­e Leistungsf­ähigkeit.

Trotz der Abgas-Affäre konnte der Volkswagen-Konzern seinen Gewinn im ersten Halbjahr auf 6,6 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahresz­eitraum fast verdoppeln. Auf VW und andere Hersteller könnten aber neue Lasten zukommen, denn die Kartellvor­würfe haben jetzt auch in den USA rechtliche Folgen. Drei Kunden werfen VW, Daimler und BMW vor, mit illegalen Absprachen zu Preisen und Abgastechn­ik gegen US-Wettbewerb­srecht verstoßen zu haben. Die entspreche­nde Klage wurde bei einem Gericht im Bundesstaa­t New Jersey erhoben.

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FOTO: RTR VW-Chef Matthias Müller empfing Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks in Wolfsburg. Eigentlich sollte es um Elektromob­ilität gehen.

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