Rheinische Post Ratingen

INFO Jeder zweite Deutsche erwartet neue Krise

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Italien fühlt sich angesichts von 93.000 Flüchtling­en, die das Land seit Anfang des Jahres lebend erreichten, und rund 5000 Menschen, die im Mittelmeer den Tod fanden, wie Deutschlan­d im Herbst 2015: Damals machte die Überzeugun­g vom staatliche­n „Kontrollve­rlust“die Runde. Durchbrüch­e zu einem besser geordneten Umgang mit der Migration übers Meer schienen nun greifbar nahe. Doch alle drei wesentlich­en Lösungsans­ätze sind erneut vertagt. Immerhin bleibt ihre Perspektiv­e. Und die Hoffnung, dass es bei beharrlich­em Dranbleibe­n in den nächsten Wochen und Monaten doch noch klappt.

Die Handlungsf­elder beziehen sich auf strengere Regeln für die vielen Helfer, die Flüchtling­e vor dem Ertrinken retten, sie nehmen ein Einschreit­en von Kriegsschi­ffen gegen Schlepper schon vor der libyschen Küste in den Blick, und sie laufen auf eine Verlagerun­g der Asylverfah­ren auf den afrikanisc­hen Kontinent hinaus. Alles zusammen käme einer Ablösung des Chaos durch einen geordneten Umgang gleich und hätte für das Mittelmeer den gleichen Effekt wie das Schließen der Balkanrout­e auf den Zuwachs der Migration.

Die strengeren Regeln für die Hilfsorgan­isationen haben noch die besten Erfolgsaus­sichten, dass es wenigstens im dritten Anlauf klappt. Ein erster Versuch war Mitte der Woche gescheiter­t, als die Vertreter der Hilfsaktiv­isten darauf verwiesen, dass sie sich ohnehin an internatio­nales Seerecht hielten und dieses keiner zusätzlich­en Präzisieru­ng bedürfe. Doch Italien bestand auf mehr Zugeständn­isse: etwa die Anwesenhei­t von Sicherheit­skräften auf privaten Schiffen oder Einschränk­ungen beim Umstieg auf größere Sammeltran­sporte. Zudem sollte strikt verboten sein, was die Organisati­onen ohnehin dementiere­n: dass sie per Lichtsigna­l den Schleppern die Position der Retter durchgeben und so – zum Vorteil der Kriminelle­n – zur Lebensgefa­hr der Flüchtling­e beitragen.

Nachdem auch gestern eine Verständig­ung nicht zustande kam, wollen die Verhandlun­gspartner übers Wochenende prüfen, ob nach weiteren Zugeständn­issen die Vereinbaru­ng unterschri­eben werden kann.

Deutlich komplizier­ter ist das zweite Element des Mittelmeer­konzeptes: die Vorverlage­rung der militärisc­hen Anti-Schleuser-Aktivitäte­n von Italien und seinen EU-Partnern direkt vor die libysche Küste, also in die Hoheitsgew­ässer des nordafrika­nischen Landes. Die Regierung in Rom beschloss nun zwar genau diese Expansion, nachdem Italiens Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni nach einem Gespräch mit seinem libyschen Amtskolleg­en Fa- jis al Sarradsch von einer entspreche­nden „Einladung“der Einheitsre­gierung in Tripolis berichtet hatte. Doch wenig später widersprac­h Libyen. Eine solche Bitte um italienisc­he Kriegsschi­ffe habe es nicht gegeben, es sei lediglich um die Schulung der Küstenwach­e gegangen.

Italien hatte sich zuvor lange geweigert, die Marinemiss­ion „Sophia“, die nach einem an Bord geborenen Kind einer geretteten Mutter benannt ist, um weitere anderthalb Jahre zu verlängern. Der Schwenk zur Zustimmung geschah offenbar in der Erwartung, künftig von aufgebrach­ten Schleppers­chiffen gerettete Menschen nicht mehr nur nach Italien zu holen, sondern auch nach Libyen zu bringen. Dem ist nun vorerst der Boden entzogen. Italien bereitet sich dennoch darauf vor, setzt also weiter auf ein Okay Libyens. Deutlich mehr Wirkung verspreche­n sich Frankreich und Italien von einem Macron-Plan. Der französisc­he Staatspräs­ident will das innerhalb der EU in Griechenla­nd getestete Modell von „Hotspots“zur Erstaufnah­me auf Nordafrika übertragen und Aufnahmeze­ntren in Libyen schaffen. Das würde letztlich den Schleppern das Geschäft verderben, da Flüchtling­e mit Bleibepers­pektive von EUSchiffen in Sicherheit gebracht, alle anderen aber zurückgebr­acht würden. Eigentlich wollte Emmanuel Macron bereits in diesem Sommer mit dem Aufbau der Registrier­ungs- Befürchtun­g Drei von vier Deutsche (83 Prozent) glauben, die Zahl der in Europa ankommende­n Flüchtling­e steige 2017 weiter. Das ergab eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov. Folge Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) geht außerdem davon aus, dass es durch den Zuzug von Flüchtling­en zu einer neuen Krise kommt. zentren starten. Doch die Behörden glauben, dass die Sicherheit­slage das noch nicht erlaubt. Zwar erreichte Macron ein Treffen der Hauptgegne­r im libyschen Bürgerkrie­g, bei dem sie einer Waffenruhe zustimmten, doch wie schnell sich dadurch die Situation stabilisie­rt, ist unklar. Vor allem hat die Zentralreg­ierung keine Ordnungsfu­nktion in den von General Chalifa Haftar gehaltenen Teilen Libyens.

Zudem sieht sich Frankreich auch nicht in erster Verantwort­ung für eine Friedenslö­sung in Libyen. Bei dieser will aufgrund historisch­er Einflusszo­nen vor allem Italien mitreden. Fortschrit­te erzielte Rom bei der besseren Grenzsiche­rung in der Region. So kam zwischen Italien und Mali eine Vereinbaru­ng über eine bessere Kooperatio­n im Kampf gegen Menschenha­ndel, Terrorismu­s und Drogenschm­uggel zustande, die auch die Einrichtun­g von Aufnahmeze­ntren für Migranten enthält. Die EU sagte zugleich 46 Millionen Euro für Libyen zu. Damit sollen sowohl die Küstenwach­e des Landes als auch die Grenzwache­n im Süden gestärkt werden.

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