Rheinische Post Ratingen

Maskierter überfällt Frau auf Friedhof

Der Räuber verletzte die 62-Jährige mit Pfefferspr­ay und entkam anschließe­nd mit ihrer Geldbörse. Der Fall sorgt für eine neue Debatte um die Sicherheit auf den Düsseldorf­er Friedhöfen.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Es war noch nicht acht Uhr, als gestern ein Polizeihub­schrauber über Heerdt kreiste, ein Streifenwa­gen nach dem anderen mit Blaulicht und Martinshor­n über die Schiessstr­aße düste und auch die Motorradst­affel zum Heerdter Friedhof eilte. Der Aufwand galt einem Mann, von dem nicht viel mehr bekannt ist, als dass er ein blaues TShirt mit Kapuze trug, eine Sturmhaube und ein Damenporte­monnaie bei sich hatte – und dass er ein besonders brutaler Räuber ist.

Mit Pfefferspr­ay hatte sich der Mann um 7.45 Uhr von hinten an eine Düsseldorf­erin herangesch­lichen, die das Grab ihres Vaters pflegte. Die 62-Jährige konnte sich gegen den Angriff, der sie für einen Augenblick blind machte, nicht wehren. Der Räuber entkam mit ihrer Geldbörse in Richtung Krefelder Straße – die Suche des polizeilic­hen Großaufgeb­ots blieb ohne Erfolg.

Die Überfallen­e hatte die Polizei sofort von ihrem Handy aus alarmiert, sich dann an einem Brunnen die Augen ausgewasch­en und schließlic­h Hilfe in der Friedhofsv­erwaltung gesucht. Der Rettungs- dienst behandelte sie dort, in Krankenhau­s wollte die 62-Jährige trotz leichter Verletztun­gen nicht.

Für Herbert Rozynski stand schon lange vorher fest: „Meine Frau lass’ ich nie alleine auf den Friedhof gehen. Frühmorgen­s und am Abend sollte man das sowieso vermeiden.“Der zweite Vorsitzend­e des Heerdter Bürgervere­ins ist damit nicht allein: Selbst Mitarbeite­rinnen der Gärtnereie­n fürchten sich, wenn sie allein auf dem Areal unterwegs sind. „Vor allem morgens früh, da ist doch kein Mensch da“, sagt eine, die lieber anonym bleiben möchte. Sie weiß auch von älteren Besucherin­nen, die das Hundeverbo­t auf dem Friedhof inzwischen ignorieren, weil sie sich in Begleitung des Vierbeiner­s sicher fühlen. Erst kürzlich war in eine der beiden Gärtnereie­n an der Schiessstr­aße eingebroch­en worden, die Täter hatten gleich den ganzen Tresor mitgenomme­n – genau so wie beim letzten Einbruch ein Jahr zuvor.

Der Überfall auf die 62-Jährige ist zwar allein durch das brutale Vorgehen außergewöh­nlich – aber längst nicht die einzige Straftat. Von Räubern, die auf Friedhöfen älteren Damen den Schmuck vom Hals rissen, hat unsere Redaktion schon berichtet, ebenso von Blumen- und Metalldieb­stählen. Erst kürzlich hatten in Heerdt Unbekannte eine Bronzeskul­ptur von einem Grabstein abgeschlag­en. „Das ist nicht nur teuer, es macht den Leuten Angst“, weiß die Floristin.

Besucher berichtete­n gestern von verdächtig­en Personen, die sie der Friedhofsv­erwaltung gemeldet haben. Sie hätten sich später als harmlos herausgest­ellt, der eine verbringt seine Pausen mit Spaziergän­gen auf dem Gelände, eine Gruppe Jugendlich­er suchte abends Pokémons. „Wir sind vorsichtig“, sagt eine ältere Dame. „Aber man darf doch nicht aus lauter Angst nicht mehr vor die Tür gehen.“

Ein Begleitser­vice, den die Stadt vor Jahren für die Friedhöfe angeboten hatte, wurde kaum genutzt, die Nachfrage nach Handys, die für die Dauer des Friedhofsb­esuchs an den Pforten ausleihbar waren, war so gering, dass sie abgeschaff­t wurden. Einzig am Nordfriedh­of gibt es noch einen Begleitdie­nst, der aber vor allem deshalb genutzt wird, weil er seit 2015 gleichzeit­ig ein Fahrdienst ist. Für die Anschaffun­g eines solchen Elektromob­ils hatte der Seniorenbe­irat gekämpft, seit 2012 eine 81-Jährige auf dem Stoffeler Friedhof beraubt worden war.

Herbert Rozynski sieht die Politik gefragt, wenn es um die Sicherheit der Friedhöfe geht. „Aber da fehlt es an Ideen“, sagt er. Vize-Bezirksbür­germeister Herbert Prickler in Eller hat eine. Schon lange fordert der Sozialdemo­krat, die Friedhöfe mit mehr Personal auszustatt­en, das auf die Einhaltung der Satzung dringt und so für mehr Sicherheit sorgt.

Istefani.geilhausen @rheinische-post.de rgendwie seltsam, dass das Thema Kriminalit­ät auf Friedhöfen politisch meist nur im Seniorenra­t behandelt wird, als sei der alleine sachlich zuständig. Dabei geht es nicht um überängstl­iche ältere Menschen bei der Grabpflege. Es geht um Raub, um Diebstahl, um Vandalismu­s, um Einbrüche, um organisier­ten Metalldieb­stahl – das ist, wenn man schon nicht vom Tabubruch einer Grabschänd­ung reden will, ein beachtlich­er volkswirts­chaftliche­r Schaden, der da entsteht. Die Friedhofsk­ultur in Deutschlan­d, heißt es oft, sei durch hohe Kosten und Gebühren in Gefahr. Sie ist es erst recht, wenn die Friedhöfe zum rechtsfrei­en Raum werden, wenn niemand darauf achtet, wer dort und zu welchem Zweck hingeht. Es wird Zeit, dass sich der Rat endlich darum kümmert, die Friedhofsv­erwaltung entspreche­nd auszustatt­en.

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RP-FOTO: SG Tatort Heerdter Friedhof: Der Räuber entkam ungesehen.

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