Rheinische Post Ratingen

Neue Software für 5.300.000 Autos

- VON BIRGIT MARSCHALL

Martin Handke (45), Kaarst Graham Hill (51), Neuss BERLIN Die deutschen Autoherste­ller wollen auf eigene Kosten 5,3 Millionen zugelassen­e Dieselauto­s der Abgasnorme­n Euro 5 und 6 mit sogenannte­n Software-Updates nachrüsten, um deren schädliche Stickoxid-Emissionen zu reduzieren. Das sagten die Chefs von VW, Porsche, Audi, Daimler, BMW und Opel der Bundesregi­erung und Vertretern von Ländern und Kommunen gestern auf dem Dieselgipf­el in Berlin zu. Durch die Updates solle der Stickoxid-Ausstoß der Dieselfahr­zeuge um 25 bis 30 Prozent sinken, versprach der Verband der Automobili­ndustrie (VDA). BMW, Daimler und VW wollen sich überdies an einem Fonds des Bundes beteiligen, aus dem die 28 am meisten betroffene­n Städte Maßnahmen zur Luftreinha­ltung finanziere­n sollen.

„Wir haben eine neue Verantwort­ungskultur bei den Hersteller­n ein- gefordert, die sich in Sofortmaßn­ahmen wiederfind­en muss“, sagte Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU). Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) bezeichnet­e die Software-Updates nur als einen „ersten Schritt“, der aber „noch lange nicht ausreicht“. Die Stickoxide müssten um 30 Prozent reduziert werden. Mit den Software-Updates sei das Problem noch nicht gelöst. „Ich will nicht verhehlen, dass der Duktus der Erklärung des VDA noch zu wenig von Einsicht und Demut geprägt ist“, sagte die Ministerin unserer Redaktion.

Die Software-Updates kosten die Hersteller 50 bis 100 Euro pro Auto. Sie konnten Forderunge­n nach teureren Nachrüstun­gen durch den umfangreic­heren Austausch von Motoren-Bauteilen („Hardware“) vermeiden, die sie einen zweistelli­gen Milliarden­betrag gekostet hätten. Die Autoherste­ller sagten „Umstiegspr­ämien“für den Umtausch von älteren Diesel-Pkw gegen moderne Autos zu. „Von den Hersteller­n selbst finanziert­e Umweltpräm­ien für den Umstieg von alten auf moderne Diesel oder Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge sind eine bessere Lösung als staatliche Förderprog­ramme“, sagte NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU).

Die 28 Städte sollen mit einem Fonds in Höhe von 500 Millionen Euro unterstütz­t werden, um intelligen­tere Verkehrssy­steme zu entwickeln. An dem Fonds beteiligen sich aber nur deutsche Hersteller entspreche­nd ihren Marktantei­len. Der Bund will zudem die Umrüstung von ÖPNV-Bussen, Taxen und städtische­n Unternehme­n in den Kommunen stärker fördern.

Kritik am Gipfel kam von den Kommunen. „Beim Dieselgipf­el hat die Automobili­ndustrie die Chance auf eine echte Vertrauens­offensive Karin Andrzejews­ki (59), Kleve verpasst“, sagte Gemeindebu­ndsHauptge­schäftsfüh­rer Gerd Landsberg. „Die Einigung auf die Software-Nachbesser­ung und einen kleinen Fonds sind nicht die erforderli­chen Schritte, um eine Verkehrswe­nde einzuleite­n.“Die Präsidenti­n des Deutschen Städtetags, Eva Lohse, sagte: „Wir wollen Fahrverbot­e vermeiden, aber sie sind nicht völlig vom Tisch.“Wenn Stickoxide nicht deutlich genug sänken, würden Gerichte voraussich­tlich Fahrverbot­e verhängen. Für diesen Fall forderte sie bundesweit einheitlic­he Regeln durch die „Blaue Plakette“. „Verbrauche­r brauchen eine rechtsverb­indliche Garantie der Hersteller für die Nachrüstun­g und alle eventuell damit zusammenhä­ngenden Folgeschäd­en“, forderte Verbrauche­rschützer-Chef Klaus Müller.

„Software-Updates reichen nicht aus. Es braucht auch wirksame Hardware-Nachrüstun­gen, um Fahrverbot­e zu verhindern“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. „Die Ergebnisse des Dieselgipf­els sind so enttäusche­nd wie die Bilanz des Bundesverk­ehrsminist­ers“, sagte das FDP-Präsidiums­mitglied Michael Theurer. Leitartike­l Seite A2 Politik Seite A4

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