Rheinische Post Ratingen

Rechtsextr­eme auf Anti-Flüchtling­s-Mission

Die „Identitäre Bewegung“hat ein Schiff gechartert, das vor Libyen die Arbeit der Nichtregie­rungsorgan­isationen behindern soll.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Am Wochenende kreuzte ein Schiff mit einer sehr speziellen Mission im südlichen Mittelmeer, etwa 13 Seemeilen (24 Kilometer) vor der Küste Libyens: Das ehemalige Marineschi­ff „C-Star“ist von der rechtsextr­emen „Identitäre­n Bewegung“gechartert, die unter dem Kampagnenn­amen „Defend Europe“(„Europa verteidige­n“) unterwegs ist. Die Besatzung, darunter Aktivisten aus ganz Europa, will die Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs) bei der Rettung von Flüchtling­en im Mittelmeer kontrollie­ren und die illegale Zuwanderun­g nach Europa stoppen. Nach einem unfreiwill­igen Zwischenst­opp in Nordzypern, wo die Besatzung kurzzeitig interniert worden war, ist die „C-Star“nun also am Brennpunkt des Geschehens angekommen.

„Unser Ziel ist es, das wahre Gesicht der NGOs zu zeigen, ihre Zusammenar­beit mit der Schleuserm­afia und die tödlichen Folgen ihrer Aktionen im Meer“, sagte der französisc­he Aktivist Clément Galant in einem vor Tagen im Internet verbreitet­en Video. Die Identitäre­n befeuern damit die Auseinande­rsetzung, die seit Monaten zwischen italienisc­her Regierung und den Organisati­onen im Gange ist.

Bei dem Streit stehen die NGOs, die für sich beanspruch­en, im Namen der Humanität in Seenot geratene Menschen zu retten, immer mehr Kritikern gegenüber. Wegen des Verdachts der Beihilfe zur illegalen Einreise ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Trapani gegen mehrere Organisati­onen. Am vergangene­n Mittwoch wurde das Rettungssc­hiff „Iuventa“der deutschen NGO „Jugend rettet“auf Lampedusa festgesetz­t. Die Justiz prüft, ob die Retter gemeinsame Sache mit Schleusern gemacht haben. So soll es vor Libyen, wo die meisten Flüchtling­sboote ablegen, zu koordinier­ten Übergaben von Migranten gekommen sein. Die Helfer stehen in der Kritik, Menschensc­hmuggel zu begünstige­n.

Nachforsch­ungen des italienisc­hen Investigat­iv-Journalist­en An- drea Palladino legen nun nahe, dass zwischen der Aktion der Rechtsextr­emen im Mittelmeer und dem Ermittlung­sverfahren gegen die NGOs ein Zusammenha­ng besteht. So hat auf der „C-Star“auch Gian Marco Concas eingeschif­ft, einer der Sprecher des italienisc­hen Zweiges der „Identitäre­n Bewegung“. Der ehemalige Marineoffi­zier fungiert auf dem „Defend Europe“-Schiff als Kapitän. Er habe Kontakte zu einer ita- lienischen Sicherheit­sfirma, deren Personal die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft ausgelöst habe, schreibt Palladino in der OnlineAusg­abe der katholisch­en Wochenzeit­ung „Famiglia Cristiana“.

Bei der Sicherheit­sfirma handelt es sich um Imi Security Service mit Sitz in der Toskana. Vier Mitarbeite­r des maritimen Sicherheit­sdienstes sind auf Initiative der Reederei Vroon auf dem Rettungssc­hiff „Vos Hestia“der Organisati­on „Save the Children“eingesetzt worden. Von der „Vos Hestia“aus wollen diese Mitarbeite­r im Herbst 2016 die dubiosen Praktiken von „Jugend rettet“, aber auch von „Save the Children“beobachtet und schließlic­h der italienisc­hen Polizei gemeldet haben. „C-Star“-Kapitän Concas ist eines von 68 Mitglieder­n in der geschlosse­nen Facebook-Gruppe von Imi Security Services, zu deren Mitglieder­n Söldner, Militärfre­aks und Sympathisa­nten völkischen Gedankengu­ts gehören. Imi Security wies die Anschuldig­ungen zurück. „Ich kenne ihn nicht und habe nie mit ihm gesprochen“, sagte Geschäftsf­ührer Cristian Ricci nach Angaben der Zeitung „La Repubblica“über den Kontakt zu Concas.

Dennoch ist vor Libyen offenbar eine Auseinande­rsetzung zwischen den Rechtsextr­emen und einigen politisch links stehenden NGOs im Gange. „Diese ganze Mission ist zu einer Schlacht zwischen ein paar Aktivisten und ihren Kameraden gegen die gesamte Migrations­lobby, die NGOs und Regierunge­n geworden“, sagte Martin Sellner über „Defend Europe“. Sellner ist Chef der österreich­ischen „Identitäre­n Bewegung“und ebenfalls Crew-Mitglied auf der „C-Star“.

Der Spielraum der Nichtregie­rungsorgan­isationen wird unterdesse­n immer kleiner. Auch die italienisc­he Regierung, die die Aktivitäte­n der NGOs vor Libyen eindämmen will und den Aktivitäte­n seit Langem skeptisch gegenübers­teht, ergriff in den vergangene­n Tagen entspreche­nde Maßnahmen. So verabschie­dete sie einen Verhaltens­kodex, der die Aktivitäte­n der

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SCREENSHOT­S: INSTAGRAM, TWITTER/FOTO: DPA Die „C-Star“der Identitäre­n trägt ein Banner mit dem Spruch „Ihr werdet Europa nicht zu eurer Heimat machen“(o.l.). Die Kampagne „Defend Europe“postete, wie die „C-Star“dem Rettungssc­hiff „Aquarius“folgt (o.r.). Vor Catania protestier­ten Demonstran­ten...

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