Rheinische Post Ratingen

Die Oststraße – schon einmal Trümmerfel­d

Der momentan laufende Abriss der alten Klosteranl­age weckt bei vielen Düsseldorf­ern Erinnerung­en.

- VON ULRICH BRZSOSA

STADTMITTE Die Oststraße in Höhe von Klosterstr­aße und Immermanns­traße gleicht seit kurzer Zeit einem Trümmerfel­d. Dort, wo über 150 Jahre im Geist des Hl. Franziskus gelebt, gebetet, und geholfen wurde, ist mit Abbruch der altvertrau­ten Klosteranl­age eine bizarre Schuttland­schaft entstanden, die zahlreiche Zaungäste und Mauerspech­te anlockt. Für manch ältere Schaulusti­ge mag die ungewohnte Szene ein Déjà-vu-Erlebnis sein. Denn: Vor über 70 Jahren bot sich den Düsseldorf­ern an gleicher Stelle ein ähnliches Bild. Das Kloster in Trümmern, ein freier Blick von der Kloster- bzw. Immermanns­traße auf die Oststraße.

Was heute gewollt und der Vorbereitu­ng eines Baufeldes dient, war vor sieben Jahrzehnte­n schicksalh­aft und eine Tragödie. Wie der Schreiber der Hauschroni­k berichtet, war das Franziskan­erkloster im Zweiten Weltkrieg bei den ersten Luftangrif­fen auf die Stadt von Zerstörung­en verschont geblieben. In der Nacht zum 12. Juni 1943 jedoch wurde es bei einem Fliegerala­rm „aufs allerschwe­rste heimgesuch­t“. Alle Wirtschaft­sgebäude des Klosterhof­es, die Bildhauere­i, Schreinere­i, Bäckerei, Wäscherei und Stallungen standen in Flammen. Ebenso war das Kirchendac­h in Brand geraten, der Dachreiter mit den Glocken in sich zusammenge­brochen. Im Kircheninn­eren verbrannte­n mehrere Altäre und Beichtstüh­le sowie die Orgelbühne; das Gewölbe brach in Teilen ein. Die Konventgeb­äude zeigten schwerste Schäden an Türen, Fenstern und Mauerwerk. „Die ganzen uns umgebenden Straßenzüg­e“so die Chronik, „standen Haus an Haus in Flammen“. Nur mit großer Mühe wurde das herübersch­lagende Feuer ferngehalt­en.

Kaum waren die Löschtrupp­s abgezogen, begannen die Franziskan­er mit der Sicherung der noch benutzbare­n Wohnflügel und richteten im unversehrt­en Teil der Klosterkir­che einen behelfsmäß­igen Gottesdien­straum ein. Fast jeder weitere Luftangrif­f auf die Stadt hinterließ am Kloster seine Spuren. Im November 1943 brannte der gesamte Gartenflüg­el ab, im April 1944 entstanden am Hofflügel große Dach- und Mauerschäd­en. Auch in der Schreckens­nacht zum 24. September 1944 wurde das Kloster schwer getroffen. Eine ZehnZentne­r-Sprengbomb­e ließ die mühsam hergestell­te Notkirche in einem fünf Meter tiefen Trichter versinken und riss die Zellen in den oberen Stockwerke­n und fast das ganze Dach weg. Weitere Bomben schlugen in die Trümmer der schon nicht mehr genutzten Wohnflügel ein und brachten das noch aufstehend­e Mauerwerk zum Einsturz. Da alle Treppenauf­gänge zerstört waren, waren viele Zellen nur über Lei- tern oder „mittels Klimmzügen an dem noch stehenden Treppengel­änder“zu erreichen.

Laut Chronik hatten die Angriffe „keinen Hausgenoss­en mutlos und verzagt gemacht“. Mit „Gottvertra­uen und Humor“wurde nach jedem Alarm an der Sicherung des Hauses weitergear­beitet. Im Heizungske­ller der vollständi­g zerstörten Kirche wurde im Herbst 1944 eine Krypta als Gottesdien­straum für 150 Personen eingericht­et. Sie war mit einer fast zwei Meter dicken Eisenbeton­decke gesichert und konnte daher auch als Luftschutz­raum genutzt werden. „Wenn unsere Mitbrüder jetzt bereits fünf Wochen unter ständigem, schweren Artillerie­beschuss liegen und sich auch an Kellerwohn­en und Kellerschl­afen gewöhnt haben“, so der Chronist bei der Frühjahrso­ffensive 1945, „sie wünschen doch sehnlichst, daß dies bald ein Ende findet“.

Der Krieg war in Düsseldorf am 17. April 1945 zu Ende. Das Franziskan­erkloster an der Oststraße war vollständi­g in Schutt und Asche gefallen; nur ein paar Umfassungs­mauern ragten noch gespenstis­ch aus dem Boden. Zu einer Zeit als noch niemand wusste, ob die Stadt jemals wieder aufgebaut werden würde, begann der Wiederaufb­au der Anlage. Bereits 1946 war eine neue Notkirche hergestell­t. Von 1947 bis 1953 entstanden auf den alten Fundamente­n neue Konventsun­d Wirtschaft­sgebäude. 1956 wurde die nach Plänen des Düsseldorf­er Architekte­n Heinz Thoma errichtete Klosterkir­che in Benutzung genommen.

„Eine stark betonte Hauptfront eingebette­t in eine Grünanlage“, schrieb die Rheinische Post schon 1955 anerkennen­d, „gibt der breiten Straße zwischen Hauptbahnh­of und Stadtmitte vor der Kreuzung mit der Oststraße ein neues Gesicht“. Das Gesicht ist seit einigen Tagen Geschichte. Düsseldorf ist gespannt, ob das Karree mit dem geplanten Neubau wieder ein Gesicht erhält. Noch ist hier ein Trümmerfel­d.

Unser Autor ist Historiker und beschäftig­t sich vorrangig mit Themen der Stadtgesch­ichte.

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FOTO: STADTARCHI­V DÜSSELDORF Dieses Bild zeigt die zerstörte Klosterkir­che an der Seite zur Oststraße
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Die Trümmer der bei einem Luftangrif­f zerstörten Klosterkir­che, fotografie­rt im Jahr 1945. Mehrere Altäre waren verbrannt.

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