Rheinische Post Ratingen

So speisten die Brügelmann­s in Cromford

Themenführ­ungen im Industriem­useum zeigen, wie die Hausherrin­nen das Leben ihrer Familie organisier­t haben.

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN „Ihr Frauen seid geschaffen um beglückend­e Gattinnen, bildende Mütter und weise Vorsteheri­nnen des inneren Hauswesens zu werden welche durch Aufmerksam­keit, Ordnung, Reinlichke­it, Fleiß, Sparsamkei­t, wirtschaft­liche Kenntnisse und Geschickli­chkeit den Wohlstand, die Ehre, die häusliche Ruhe und Glückselig­keit des erwerbende­n Gatten sicher stellen…“Die Ausführung­en des Schriftste­llers Joachim Heinrich Campe in seinem „Väterliche­n Rath“sind noch ausführlic­her und reicher an Girlanden. Und diese Weisheiten galten auch im Herrenhaus Cromford um 1800.

Es war kein kleiner Haushalt, sondern ein ganz eigener, reichlich bewohnter Kosmos. Anna Christina und Johann Gottfried Brügelmann mit zwei Söhnen und in der folgenden Generation Sophie Brügelmann mit ihren drei Kindern, immer wieder Besuch aus der eigenen Familie, von gesellscha­ftlich verbundene­n Bekannten, von Freunden oder Geschäftsp­artnern fanden sich dort ein, ein Hauslehrer, auch mal eine Amme, eine Erzieherin oder ein Kindermädc­hen gehörten zur Stammbesat­zung.

Als Sophie Brügelmann­s Mutter verwitwete, kam sie und blieb bis zu ihrem Tod. Und Sophies Schwester Johanna, eine unverheira­tete Düsseldorf­er Malerin, ließ sich gelegentli­ch in dem hochherrsc­haftli- Christine Syré Cromford-Referentin chen Haus längerfris­tig nieder.

Platz gab es ja, aber nach unseren Vorstellun­gen war das Leben nicht bequem – selbst mit der ergebenen Schar an Personal nicht. Es gab keine Wasch- oder Spülmaschi­nen, keine Kühlschrän­ke, keine einfach zu säubernden oder pflegenden Materialie­n, die die Haushaltfü­hrung erleichter­ten. Dazu befanden sich der Brunnen vor dem Haus, die Küche im Kellergesc­hoss, der Speisesaal im ersten Obergescho­ss, die Schlafgemä­cher noch höher. Es muss ein Ganztags-Klettern und - Rennen gewesen sein. Zweimal im Jahr wurde die große Wäsche gemacht. Dann kamen Wäscherinn­en ins Haus und Frauen, die bügelten und flickten. „Und über allem wachte die Hausherrin“– so heißt es im Katalog zur Cromford-Dauerausst­ellung.

Damit beim großbürger­lichen Leben kein Sand ins Getriebe kam, brauchten die Frauen weitaus größere organisato­rische und anspruchsv­olle Kenntnisse als das Fußvolk. Das betraf unter anderem die Vorratshal­tung; denn trotz des hausnahen Gartens war man bei weitem nicht ausreichen­d ortsnah mit den Lebensmitt­eln versorgt, die benötigt wurden. Da bewährte sich dann die Gastfreund­schaft der Ver- wandtschaf­t gegenüber, die bei Bedarf mit dem Heranschaf­fen von Nahrhaftem betraut wurde. Eine Hand wusch auch damals die andere.

Sophie Brügelmann­s Ehemann musste zum Beispiel einmal 1200 Äpfel aus Wiesbaden mitbringen, wo er zur Kur weilte – für seine fünfköpfig­e Familie plus drei Dienstbote­n zum gesunden Überwinter­n. Im gleichen Herbst, 1829, wurden 150 Kohlköpfe eingelegt. Zum „Modeessen“Austern ließ man aus Amsterdam die Zutaten kommen (die dann auch gern mal verdarben). Sophie Brügelmann bestellte bei einem Kölner Delikatess­enhändler Man- deln, Sardellen, Zitronensp­äne, Gewürzbisk­uits und andere luxuriöse Köstlichke­iten, versuchte aber gleichzeit­ig auf eine Empfangsan­zeige zu verzichten, um Porto zu sparen. Irgendwie galt Sparsamkei­t, wie es auch heute manch renommiert­er Familie nachgesagt wird.

Wer jetzt zur Beschaffun­g von welchen Dingen auch immer angesproch­en wurde, über welche Wegstrecke­n der Transport ging und mit wem man Kompensati­onsgeschäf­te machte, lag in den Händen und der Cleverness der jeweils bestimmend­en Familien-Chefin in Cromford, die auch noch ein Düsseldorf­er Domizil angemessen auszustatt­en hat- te. Auf jeden Fall war sie aufs Trefflichs­te vernetzt. Haushalts- und andere Bücher geben Aufschluss über die gescheite Regsamkeit der Familie Brügelmann. Christine Syré, wissenscha­ftliche Referentin in Cromford, stellt unter anderem Themen- führungen zusammen, in denen Besucher sich in das spannende Leben vor zwei Jahrhunder­ten einfühlen mögen.

Sie selbst kann sich sogar vorstellen, in dieser Zeit gern gelebt zu haben: „Es war eine Zeit des Um- bruchs, aber auch der Ruhe. Bei Brügelmann­s waren Familie und Besucher gebildet – auch keine schlechte Bedingung für interessan­te Tage.“Ihre Ansicht ist somit eine sehr gute Voraussetz­ung für mitreißend­e Führungen.

„Bei Brügelmann­s waren Familie und Besucher sehr gebildet“

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 ??  ?? Das Porträt von Anna Brügelmann hängt an der Wand. Elena Leonhardt (links) führt durch das historisch­e Speisezimm­er der schwerreic­hen Fabrikante­nfamilie.
Das Porträt von Anna Brügelmann hängt an der Wand. Elena Leonhardt (links) führt durch das historisch­e Speisezimm­er der schwerreic­hen Fabrikante­nfamilie.
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Porzellan aus Meißen kam in Cromford auf den Kaffeetisc­h.

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