Rheinische Post Ratingen

70-Jähriger mit Down Syndrom ist ein medizinisc­hes Wunder

- VON DANIELE FUNKE

KREIS METTMANN Zugegeben: Der selbstgeba­stelte Gutschein über eine Pommes mit Currywurst ist ein wenig schief gefaltet, im Wort „Geburtstag“fehlt ein „t“. Aber all das zählt nicht, denn ganz eindeutig ist dieser Gutschein mit größter Ausdauer und Liebe zum Detail entstanden. Jeder Buchstabe ist in einer anderen Farbe gemalt, das weiße Papier beklebt mit bunten Dekokugeln. „Schön?“, fragt Anja, als sie ihrem Freund und Mitbewohne­r Klaus ihr Geschenk überreicht und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Klaus strahlt zurück, seine Au- gen blitzen glücklich unter dem faltigen Gesicht hervor. „Ja schön“, sagt Klaus und steckt mit seiner Freude die vielen Geburtstag­sgäste um sich herum an. Der Jubilar aus Langenfeld ist 70 Jahre geworden, der Aufenthalt­sbereich der Wohngruppe, in der Klaus seit 25 Jahren lebt, platzt aus allen Nähten. Die Stimmung ist ausgelasse­n und fröhlich, die vielen Besucher – darunter viele andere geistig behinderte Bewohner der Lebenshilf­e – feiern „ihren Klaus“. Aber als Klaus am 4. August 1947 geboren wurde, lag seine Lebenserwa­rtung bei maximal 20 Jahren. Seine Mutter starb, als er gerade zwei Jahre alt war. Der Vater heiratete wenige Jahre später die Mutter von Hanne Hobe. „Ich hatte plötzlich einen kleinen Bruder und fand den total süß. Dass er anders war, habe ich gar nicht so registrier­t. Und auch meine Mutter nahm in sofort wie ihr eigenes Kind an.“Damals gab es in der Gesellscha­ft keinen Platz für Menschen mit Behinderun­g, keine Schulbildu­ng, keine Arbeit. Erst mit 35 Jahren begann Klaus erstmalig in einer Behinderte­nwerkstatt zu arbeiten, die Mutter hatte große Angst, den jungen Mann loszulasse­n. „Sie sagte, ,Hitler hat die auch alle umgebracht, wer weiß was ihm dort geschieht’“, erinnert sich die 75-jährige Schwester.

Klaus hat die Mundharmon­ika herausgeho­lt. Mit dem ersten Ton versinkt er in der Musik. Seine Begeisteru­ng über den Applaus ist schier grenzenlos, er strahlt wie ein Kind. Dann zeigt der ehemalige Mitarbeite­r der Garten- und Landschaft­spflege eine zweite Armbanduhr, die er geschenkt bekommen hat. „Oh, wunderschö­n“, schwärmt der Uhrensamml­er und streichelt liebevoll über das Zifferblat­t. Die Aussprache ist undeutlich und oft unverständ­lich, seine Mimik allein aber sagt alles. Und dann ist da noch eine zweite große Leidenscha­ft: der BVB. Das neue schwarze T Shirt mit gelben Buchstaben hat der 70-Jähri- ge direkt angezogen. Heidemarie Busch, eine der Betreuerin­nen in der Wohngruppe, berichtet: „Gestern Abend haben wir wirklich sehr um Klaus gebangt. Er hustete plötzlich und war schlimm verschleim­t. Er hat die Nacht im Krankenhau­s verbracht“, erzählt die Lebenshilf­emitarbeit­erin.

Hanne Hobe ergänzt. „Ich hatte fürchterli­che Angst. Aber als ich ihn heute Morgen im Krankenhau­s besuchte, stand er da angezogen und frisch rasiert und meinte, er sei wieder gesund. So ist er. Ein Stehaufmän­nchen. Es gibt keinen lieberen und freundlich­eren Menschen als unseren Klaus.“

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RP-FOTO: RM Klaus Leisten feierte jetzt seinen 70. Geburtstag. Stiefschwe­ster Hanne Hobe schenkte ihm eine Uhr.

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