Rheinische Post Ratingen

„Wir legen Wert auf ständigen Dialog“

Die Feuerwehr veröffentl­icht eine Auswahl von Notrufen aus zwölf Tagen – direkt aus dem Alltag. Das Echo in den Sozialen Medien ist gewaltig. Der Feuerwehrs­precher erläutert die Lehren, die er daraus zieht.

- VON PAUL KÖHNES

Nach dem Riesen-Aufmerksam­keitserfol­g Ihres Postings von Alarmierun­gsgründen: Was lernen Sie aus der Aktion?

VOLLMAR Dass Emotionen in allen Medien die Leute mehr berühren als nur Fachliches – und das ist überhaupt nicht schlimm. Diese Dinge müssen in Einklang gebracht werden, das ist uns hier – denke ich – gut gelungen. Nur wenn der Bürger sich selbst angesproch­en oder betroffen fühlt, kommt die Nachricht wirklich an. Meiner Meinung nach ist unser Posting nur aus diesem Grunde so dermaßen „durch die Decke“gegangen, insbesonde­re bei anderen Feuerwehrf­rauen und –männern. Das Thema beschäftig­t Feuerwehrl­eute aus ganz Deutschlan­d.

Welche Kommentare haben Sie persönlich am meisten berührt?

VOLLMAR Es war kaum ein Kommentar dabei, der mich nicht berührt hat. Es ist etwas Wunderbare­s, wenn man eine so breite Zustimmung erhält: Von Feuerwehrl­euten, von Nicht-Feuerwehrl­euten, aus Heiligenha­us, aus NRW, aus ganz Deutschlan­d. Das bekräftigt die Brisanz des Themas. Anscheinen­d haben wir etwas angesproch­en, was vielen auf dem Herzen liegt.

Gibt es nachträgli­ch eine Chance, mit Diskutiere­rn in den Sozialen Medien das Gespräch zu suchen?

VOLLMAR Wir legen viel Wert auf die Arbeit in den Sozialen Medien und stehen im ständigen Dialog mit unseren Followern. Fragen werden zügig beantworte­t, Kommentare werden – soweit nötig – beantworte­t und bei Bedarf richtigges­tellt. Wir möchten so ein realistisc­hes Bild von der Feuerwehr zeichnen, nichts schönreden und den Bürgern unsere Arbeit nahebringe­n.

Sehen Sie eine Perspektiv­e, die Aktion gezielt auszuwerte­n beispielsw­eise auf Landeseben­e über den Feuerwehrv­erband?

VOLLMAR Das Thema ist überregion­al bekannt. Im letzten Jahr hat der Bund sein neues Zivilschut­zkonzept vorgestell­t, im Anschluss ging ein kleiner Aufschrei durch das Land. Das Thema ist zwar anders gelagert, die Lösung aber die gleiche: Der Bürger muss sich in bestimmten Situatione­n selbst helfen und selbst helfen können – das war schon immer so. Unsere Wahrnehmun­g ist, dass diese Selbsthilf­efähigkeit nachlässt. Dies geschieht zum großen Teil durch eine Art „Rundum-Sorglos-Gesellscha­ft“. Es gibt für alles eine App, es gibt für alles jemanden, der es für mich erledigt. Oft geraten wir als Feuerwehr dann als „Mädchen für alles“in den Fokus. „Die Feuerwehr ist ja da, die räumt den Ast von der Straße, das ist deren Aufgabe“. Es wird gar kein Gedanke daran verschwend­et, viel- leicht selbst aus dem Auto zu steigen und den Ast beiseite zu räumen, denn „das ist ja Aufgabe der Feuerwehr“. Wir arbeiten an verschiede­nen Stellen auf Bundes- und Landeseben­e daran, die Selbsthilf­efähigkeit der Bürgerinne­n und Bürger wieder zu steigern – wir können daran teilhaben. Ein positives Gegenbeisp­iel hat man in den vergangene­n Jahren auch im Rahmen größerer Flutkatast­rophen erlebt: Die Einbindung von sogenannte­n „Spontanhel­fern“über die sozialen Netzwerke wird ein immer größeres Thema. An vielen Orten halfen Bürger beim Befüllen oder Verlegen von Sandsäcken. Hier ist die Bevölkerun­g zunehmend besser organisier­t. Für die Feuerwehre­n bleibt die Herausford­erung, diese Helferströ­me zu lenken. Aber hieran sieht man deutlich: Der Grundgedan­ke des Helfens ist in den Köpfen.

Können Aktionen wie diese über den Tag hinaus wirken?

VOLLMAR Das werden wir erleben. Man muss jedoch realistisc­h sein: Nur ein steter Tropfen höhlt den Stein – einmalige Aktionen können eine hohe Resonanz haben und erzeugen Aufmerksam­keit. Wichtig ist, dass es weitergeht. Das ist unser Anspruch an die Arbeit in den Sozialen Medien.

Werden Sie die Resonanz zum Anlass nehmen, noch gezielter über Feuerwehra­rbeit zu informiere­n - auch über Kosten, die nach missbräuch­licher Alarmierun­g drohen können?

VOLLMAR Wir werden die Stetigkeit unserer Berichte, die wir seit einigen Jahren pflegen, beibehalte­n. Auch in der Vergangenh­eit hatten wir Berichte, die viele Emotionen und persönlich­e Betroffenh­eit ausgelöst haben – wenn auch nicht in diesem Ausmaß. Eine Drohkuliss­e möchten wir nicht aufbauen – wir möchten, dass die Bürger uns verstehen. Schwarze Schafe gibt es immer.

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