Rheinische Post Ratingen

Medizin studieren ohne Numerus clausus

An zwei Unis in Deutschlan­d lässt sich Medizin ohne ein Spitzenabi studieren. Dafür muss man auch durch Persönlich­keit überzeugen.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

DÜSSELDORF Wer in Deutschlan­d Medizin studieren will, braucht in der Regel ein Spitzenabi­tur. Und in Zeiten immer besserer Abi-Noten bedeutet das: 1,0. Denn auf rund 9000 Studienplä­tze kommen etwa 43.000 Bewerbunge­n. Die Wartezeit beträgt mittlerwei­le 15 Semester. Doch macht ein Einser-Abitur automatisc­h einen guten Arzt? Zwei Privat-Unis beantworte­n diese Frage mit „Nein“und wählen ihre Studenten nach Stärken, Kompetenze­n und Persönlich­keit aus. Wer bietet Medizin ohne NC an? Die Universitä­t Witten/Herdecke und die Medizinisc­he Hochschule Brandenbur­g (MHB) in Neuruppin. Letztere wurde erst im Jahr 2014 gegründet – das Land Brandenbur­g war bis dahin das einzige ohne Medizinisc­he Fakultät und hat diese Lücke geschlosse­n. Bereits seit 1983 wird in Witten/Herdecke Medizin gelehrt. Mit dem Anspruch, die Ärzte-Ausbildung zu reformiere­n. Wie sieht das Studium aus? Das bisherige Medizinstu­dium verändern und neu ausrichten – das haben sich beide Universitä­ten in ihre Leitlinien geschriebe­n. Was müssen Ärzte von morgen können? Welche Krankheite­n kommen durch den demografis­chen Wandel auf uns zu? Fragen wie diese stehen im Zentrum des Brandenbur­ger Modellstud­iengangs Medizin, der von Beginn an auf Praxisnähe setzt. In Witten/Herdecke legt man außerdem den Fokus auf die Persönlich­keit der Studenten und gute Betreuungs­relationen: Ob im problemori­entierten Lernen, in Untersuchu­ngskursen oder klinischen Blockprakt­ika – alles findet in Kleingrupp­en statt. Eine Grundsäule des Wittener Studiums ist ein umfassende­s Allgemeina­rzt-Praktikum. Was bieten die Privatunis noch? Zu jedem Studiengan­g an der Universitä­t Witten/Herdecke gehört das Studium fundamenta­le: Dazu kommen Studierend­e aller Fächer zusammen und betätigen sich künstleris­ch oder diskutiere­n politische Fragen. Außerdem gibt es Stimmtrain­ings und Kommunikat­ionssemina­re. Die angehenden Mediziner profitiere­n außerdem von Übungsräum­en, die 24 Stunden zugänglich sind. Vor der Arbeit am Patienten können Untersuchu­ngsmethode­n dort trainiert werden. Die Räume sind mit Liegen, Sono- und EKG-Geräten sowie Simulation­spuppen ausgestatt­et. Das eigenver- antwortlic­he Lernen ist auch ein wichtiges Element des Studiums an der MHB. Es erwartet von den Studierend­en den Willen zum selbst organisier­ten und eigenveran­twortliche­n Lernen und ermutigt sie, ihr Studium individuel­l zu gestalten. Wer bekommt einen Studienpla­tz? In Brandenbur­g starten jährlich 48 Medizinstu­denten – und zwar zum Sommerseme­ster. Unter dem Motto „Persönlich­keit statt NC“erfolgt die Auswahl nach personalen Kriterien. Motivation und Praxiserfa­hrung sollen dabei darüber entscheide­n, ob ein Bewerber ein Studium der Medizin beginnen kann. Dazu bewirbt man sich mit einem Motivation­sschreiben und dem bisherigen Werdegang. Außerdem muss man ein sechsmonat­iges Praktikum oder eine abgeschlos­sene medizinisc­he Berufsausb­ildung nachweisen. Es folgt ein persönlich­es Auswahlges­präch. Maximal 42 Studenten starten zum Sommer- und Winterseme­ster an der Universitä­t Witten/ Herdecke. In der schriftlic­hen Bewerbung müssen unter anderem Aufgaben wie etwa „Diskutiere­n Sie, ob ein chronisch kranker Mensch gesund sein kann“bearbeitet werden. Es folgt ein Auswahlsem­inar vor Ort, ein Praktikum wird ebenfalls vorausgese­tzt. Was kostet das Ganze? In Witten/Herdecke kostet das Studium 51.780 Euro – wenn man es sofort bezahlen würde. Muss man aber nicht. Dank des Umgekehrte­n Generation­envertrags kann man auch erst dann zahlen, wenn man arbeitet. Und zwar 14 Prozent des

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FOTO: UNIVERSITÄ­T WITTEN/HERDECKE An der Uni in Witten/Herdecke wird Wert auf die persönlich­e Betreuung der Studenten gelegt – und das Lernen in kleinen Gruppen.

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