Rheinische Post Ratingen

Chamäleon auf sechs Saiten

Der US-amerikanis­che Jazzgitarr­ist John Abercrombi­e ist 72-jährig gestorben.

- VON WOLFRAM GOERTZ

NEW YORK Die Biografie von John Abercrombi­e liest sich die Story eines Neugierige­n, der wie ein Globetrott­er durch die Welt des Jazz reist, um mal hier und mal da zu verweilen und sämtliche Angebote zum musikalisc­hen Genuss anzunehmen. Natürlich hat der 1942 im USBundesst­aat geborene Musiker diese Offerten selbst immer mitgestalt­et, damit ein Abend perfekt gelang; ohne ihn fehlte etwas, nämlich sein subtiles, hellhörige­s, reaktionss­chnelles, geschmeidi­ges und zutiefst einfallsre­iches Gitarrensp­iel.

Abercrombi­e, der die elektrisch­e und die akustische Gitarre gleicherma­ßen wundervoll beherrscht­e, spielte mit so unterschie­dlichen Leuten wie den Brecker-Brüdern, dem Trompeter Enrico Rava, den Schlagzeug­ern Chico Hamilton, Billy Cobham, Jack DeJohnette und Peter Erskine, dem Pianisten Richie Beirach und dem Gitarren-Kollegen Ralph Towner. Diese Reihe ließe sich endlos fortsetzen. Das Chamäleon Abercrombi­e wirkte aber nirgendwo wie ein Fremdkörpe­r, im Gegenteil: Seine Ästhetik, die zwischen Modern Jazz und Fusion so- zusagen ergebnisof­fen war, setzte überall Akzente.

Gleichwohl merkte der kundige Hörer, dass der große Jim Hall eines seiner Vorbilder war – weil ihm, Abercrombi­e, die Balance harmonisch­er Strukturen und melodische­r Ausflüge stets glückte. Diese doppelte Kompetenz adelte auch seine neuen Alben, „39 Steps“und „Up And Coming“, bei denen Marc Copland als Pianist im Quartett mitspielte. Das alte Problem, dass Gitarrist und Pianist einander im Jazz in die Quere kommen können, trat in keinem Takt auf. Abercrombi­es leuchtende­r Ton ging nie unter.

Auch in Deutschlan­d hat Abercrombi­e gern gespielt; und das Rheinland hat ihn mehrfach zu schätzen gelernt, etwa beim Jazzfestiv­al in Viersen oder bei den Düsseldorf­er Hofgartenk­onzerten. Jetzt ist John Abercrombi­e im Alter von 72 Jahren nach einem Herzanfall in New York gestorben.

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FOTO: BUSCH John Abercrombi­e.

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