Rheinische Post Ratingen

So klappt es bei den Deutschen im Bett

Deutsche Männer haben im Leben im Schnitt doppelt so viele Sexpartner wie Frauen, drei Viertel aller Paare verzichten auf Verhütung mit Kondom. Eine Studie hat nun erstmals repräsenta­tive Daten zum Sexuallebe­n der Deutschen geliefert.

- VON TOM NEBE

BRAUNSCHWE­IG (dpa) Männer in Deutschlan­d haben nach eigenen Angaben im Leben im Schnitt schon mit zehn Partnerinn­en geschlafen, Frauen aber nur mit fünf. So lautet ein Ergebnis einer repräsenta­tiven Studie zum Sexualverh­alten in Deutschlan­d, die im „Deutschen Ärzteblatt“veröffentl­icht wurde. 2524 Menschen ab 14 Jahren wurden per Fragebogen befragt.

Auch wenn Männer sich wohl gerne als Verführer begreifen und Frauen als schwer zu erobern, so ist das 2:1-Verhältnis statistisc­h kaum zu erklären. Neu sind diese Unterschie­de aber nicht: Solche Diskrepanz­en hätte es in der Sexualfors­chung schon vorher gegeben, schreiben die Forscher um Autorin Julia Haversath von der Technische­n Universitä­t Braunschwe­ig. Beteiligt waren auch Psychologe­n aus Hildesheim, Jena und Hannover. Die Unterschie­de rühren wohl daher, dass die Befragten beim Beantworte­n der Fragen etwas schummelte­n. Dieser Meinung sind die Psychologe­n, drücken es aber wis- senschafli­cher aus. „Selbstwert­dienliche Verzerrung­en und geschlecht­sspezifisc­hes Antwortver­halten“könnten zu den verschiede­nen Angaben beigetrage­n haben.

Arne Dekker vom Universitä­tsklinikum Hamburg-Eppendorf, der nicht an der Studie beteiligt war, hat eine ähnliche Erklärung: „Sie inszeniere­n damit auch ihre Geschlecht­errollen“, sagt er. Manche Männer glauben, es sei attraktiv und gesellscha­ftlich anerkannt, viele Sexpartner zu haben, bei Frauen sei oft das Gegenteil der Fall. Einer der statistisc­hen Faktoren könnte sein, dass acht Prozent der befragten Männer schon zu Prostituie­rten gegangen sind. Diese Gruppe hatte im Mittel Verkehr mit vier Prostituie­rten. Die Forscher fragten zudem nicht, ob die Teilnehmer bereits Sex im Ausland gehabt haben.

Die Studie bietet über das sexuelle Selbstbild der im Schnitt 48,5 Jahre alten Befragten hinaus noch weitere Erkenntnis­se. Die meisten Menschen – das überrascht kaum – haben Erfahrunge­n mit Vaginalver­kehr gemacht: 88 Prozent der Männer und 89 Prozent der Frauen. Oral befriedigt wurden schon 56 Prozent der Männer und 48 Prozent der Frauen. Die große Mehrheit der Männer (86 Prozent) und Frauen (82 Prozent) gaben an, heterosexu­ell zu sein. Fünf Prozent der Männer und acht Prozent der Frauen hatten bereits gleichgesc­hlechtlich­e Kontakte. Jeweils ein Prozent gab an, rein homosexuel­l zu sein. Einige machten keine Angaben oder sag- ten, keine dieser Kategorien träfe auf sie zu. Am sexuell aktivsten ist erwartungs­gemäß die Gruppe der 25- bis 29-Jährigen. In diesem Alter haben Männer nach eigenen Angaben im Schnitt 60 Mal Vaginalver­kehr pro Jahr, Frauen 47 Mal. Danach sinkt die Häufigkeit stetig: Männer im Alter von 50 bis 59 Jahre haben demnach 34 Mal pro Jahr solchen Sex, Frauen 22 Mal.

Und wie halten es die Menschen in Deutschlan­d mit der Treue? Auch hier gibt es Unterschie­de zwischen Mann und Frau: Eigenen Angaben nach ist rund jeder fünfte Mann (21 Prozent) in einer Partnersch­aft schon einmal fremdgegan­gen. Bei den Frauen betrug der Anteil 15 Prozent. Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) hatte einen festen Partner. 76 Prozent verhüten in Beziehunge­n nie mit Kondomen. Jede zweite Frau (51 Prozent), die 50 Jahre oder jünger ist, nimmt die Pille oder ähnliche orale Verhütungs­mittel. Fünf Prozent verzichten auf Verhütung, weil sie einen Kinderwuns­ch haben.

Die Befragung sei nach Angaben der Autoren notwendig, da in Deutschlan­d bevölkerun­gsbasierte Daten zur Häufigkeit von verschiede­nen sexuellen Verhaltens­weisen fehlten. Die aber seien wichtig, „besonders in Bezug auf die Prävention und Behandlung sexuell übertragba­rer Infektione­n“. Das sieht der Hamburger Forscher Dekker ähnlich. Er wertet die Studie als „kleine, verdienstv­olle Ergänzung, die erstmals repräsenta­tive Angaben zum Sexuallebe­n der Gesamtbevö­lkerung macht“.

Sorgen machte den Forschern eine kleine Gruppe (2,5 Prozent): Sie gaben an, während ihrer aktuellen Beziehung sexuelle Außenkonta­kte und generell schon ungeschütz­ten Geschlecht­sverkehr mit anderen Personen außerhalb der Partnersch­aft gehabt zu haben sowie in ihrer Beziehung nicht immer Kondome zu nutzen. Für die Forscher gehören die Menschen zu einer „Hochrisiko­gruppe“, weil sie einer höheren Gefahr ausgesetzt sind, an einer sexuell übertragba­ren Infektion wie HIV oder Syphilis zu erkranken. Jene hatten außerdem dreimal so viele Sexpartner wie der Durchschni­tt: Männer 38, Frauen 17.

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