Rheinische Post Ratingen

Air Berlin bittet Wöhrl zum Gespräch

Der Unternehme­r, der die Airline nur komplett übernehmen will, scheint nun eine Chance zu haben.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF In der Diskussion um die Zukunft der Fluggesell­schaft Air Berlin hat sich das Kabinenper­sonal der Airline zu Wort gemeldet. „Mit großer Sorge verfolgen wir die Haltung der Bundesregi­erung zur beabsichti­gten Abwicklung der Air Berlin sowie der bestehende­n Arbeitsplä­tze. Hier entsteht der Eindruck, dass im Zuge einer Aufspaltun­g .. . einseitig deutsche Wirtschaft­sinteresse­n verfolgt und unterstütz­t werden“, heißt es in einem offenen Brief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD).

Die Mitarbeite­r haben unter anderem den Eindruck, dass ein Verkauf an die Lufthansa „mit dem Wohlwollen der Bundesregi­erung“lange vorbereite­t war. Und sie kritisiere­n, dass die „soziale Schutzwürd­igkeit“der Mitarbeite­r keine Beachtung finde. Zuletzt hatte die Lufthansa-Tochter Eurowings neue Stellen für Piloten und Kabinenper­sonal im Internet ausgeschri­eben. Formal kann sich jeder auf die Jobs bewerben, doch im Kern geht es um die Übernahme Tausender Mitarbeite­r von Air Berlin. Durch die Neuausschr­eibungen sollten „ganz offensicht­lich die gesetzlich­en und tarifliche­n Mechanisme­n eines Betriebsüb­ergangs ausgehebel­t werden“, heißt es in dem Brief. Klarer kann man Vorwürfe kaum formuliere­n. Sie richten sich vor allem gegen Zypries und Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CDU), die sich für die Stärkung der Lufthansa als nationalem Champion ausgesproc­hen hatten.

So weit ist es aber offenbar noch lange nicht. Denn vorerst wird Air Berlin ja noch nicht aufgespalt­en, und mittlerwei­le scheint es auch eine Chance für den Interessen­ten Hans Rudolf Wöhrl zu geben. Der Mann, der am Wochenende im Umfeld der Verhandlun­gsführer noch als unseriös galt, wird jetzt für wert befunden, mit ihm am Mittwoch ein Gespräch zu führen. „Die Intro-Verwaltung­s GmbH ist nächste Woche für erste Sondierung­sgespräche nach Berlin eingeladen“, teilte das Unternehme­n mit. Intro ist Wöhrls Beteiligun­gsgesellsc­haft.

Ob sich hinter der Einladung, die über die Beratungsg­esellschaf­t KPMG verschickt wurde, mehr verbirgt als ein formaler Pflichtakt, bleibt zunächst offen. Wöhrl jedenfalls interpreti­ert die Bitte zum Gespräch gern als Sinneswand­el zu seinen Gunsten: „Das ist eine sehr erfreulich­e Trendwende. Mehr konnten wir nicht erwarten! Jetzt müssen wir an die Arbeit gehen, die aktuelle Situation analysiere­n, eine Fortführun­gsprognose erstellen, um auf dieser Basis ein qualifizie­rtes Angebot unterbreit­en zu können.“

Wöhrl zielt aber weiter auf eine Komplettüb­ernahme, die bisher alle maßgeblich Beteiligte­n faktisch Hans Rudolf Wöhrl Air-Berlin-Interessen­t ausgeschlo­ssen haben. Matthias Machnig, Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um, hatte am Wochenende erklärt, man müsse „nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass man jetzt mehrere Partner braucht“. Mehrere Partner und trotzdem Wöhrl? Da beißt sich die Katze eigentlich in den Schwanz. Es sei denn, der ehemalige dba- und LTU-Eigentümer Wöhrl geht nur mit seiner Maximalfor­derung in die Gespräche rein und ist bereit, mit weniger wieder rauszukomm­en.

Womöglich ist Hans Rudolf Wöhrl auch die Rückfallop­tion falls sich die anderen Beteiligte­n – Lufthansa, Easyjet, Condor – nicht so schnell einig werden wie gewünscht. Denn Zeit ist das, was Air Berlin am wenigsten hat. Das Unternehme­n verbrennt jeden Tag Geld, es verliert täglich an Wert und damit das, was für das Unternehme­n oder Teile davon zu erlösen ist. „Es besteht die Gefahr, dass uns das Geschäft wegbricht, falls der Verkauf zu lange dauert“, sagte gestern der Sanierungs­berater Frank Kebekus.

„Das ist eine erfreulich­e Trendwende. Mehr konnten wir nicht erwarten“

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FOTO: DPA Hans Rudolf Wöhrl

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