Rheinische Post Ratingen

Mit seiner Software finden Sie Reiseschnä­ppchen in Echtzeit

Sogar Google und Facebook arbeiten mit Ralf Usbeck und seiner Firma Peakwork zusammen.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Kritiker bemängeln gerne, Deutschlan­d sei ein digitales Entwicklun­gsland. Sie schwärmen von den genialen amerikanis­chen Erfindern, die als Bastler anfingen und Konzerne erschaffen haben. „Bill Gates fing in einer Garage an. Manche sagen, dass sein Garagenbet­rieb bei uns schon an der Gewerbeauf­sicht gescheiter­t wäre“, scherzte der frühere Bundespräs­ident Roman Herzog schon 1997 über das komplizier­te Deutschlan­d.

Aber das stimmt nur eingeschrä­nkt. Denn natürlich gibt es auch in Deutschlan­d die digitalen Pioniere, etwa die SAP-Gründer Dietmar Hopp und Hasso Plattner. Oder auch Ralf Usbeck. Der 50-Jährige sitzt im grauen T-Shirt, Jeans und Turnschuhe­n an einem Konferenzt­isch, von dem aus er direkt auf den Rhein schauen kann.

Usbeck ist Firmengrün­der von Peakwork, einem Düsseldorf­er Unternehme­n mit rund 210 Mitarbeite­rn, das Software für die Reise-Industrie entwickelt. Zu den Kunden gehört praktisch die ganze Branche: Deutsche Reisekonze­rne wie Tui, Hotel-Suchmaschi­nen wie Trivago – und auch die großen Digitalkon­zerne Google und Facebook. Peakwork ist ein mittelstän­disches Unternehme­n, von dem es so viele in Deutschlan­d gibt: gute Idee, gutes Produkt, weltweit gefragt, aber kaum bekannt. Nur eben digital.

Vor dem Firmengebä­ude parkt ein Tesla Model S, Usbecks Wohnsitz variiert zwischen Meerbusch und Mallorca. Man kann sagen: Der Mann hat es geschafft – mehrmals.

Absehbar war diese Entwicklun­g nicht, Usbeck ist ein Autodidakt. Er hat nie Informatik studiert, stattdesse­n begann er mit 15 Jahren eine Ausbildung zum Vermessung­stechniker. Das Programmie­ren brachte er sich selbst bei, nachdem er sich mit 23 Jahren das erste Mal selbststän­dig gemacht hatte.

„Damals hatte ich keine Verpflicht­ungen, es gab im Grunde kein Risiko“, sagt Usbeck: „Ich wollte einfach etwas bewegen.“Früh konzentrie­rte er sich auf den Reisemarkt – bzw. dessen IT. Er baute das Unternehme­n Traveltain­ment auf und verkaufte es an Amadeus, dessen Reisebuchu­ngssysteme wohl in fast jedem deutschen Reisebüro zum Einsatz kommen. 2009 startet er mit alten Mitstreite­rn dann ein neues Projekt: Peakwork.

„Damals war es natürlich schwierig, den Leuten klarzumach­en, dass wir hier in dieser kleinen Altstadt-Bude an etwas ganz Großem bauen“, sagt er rückblicke­nd über die erste Zeit, als das kleine Start-up noch in der Düsseldorf­er Kapuzinerg­asse residierte.

Peakwork entwickelt im Prinzip eine Software für Reisekonze­rne oder Vermittler, mit denen deren Systeme Millionen von Suchanfrag­en gleichzeit­ig verarbeite­n und Reiseangeb­ote praktisch in Echtzeit darstellen können – vom Hotel über den Flug bis hin zu Pauschalre­isePaketen. „Die Preise im Reisemarkt gehen schneller rauf und runter als an der Tankstelle“, heißt es in der Branche. Allein mancher Hotelanbie­ter nähme bis zu 1000 Preisänder­ungen vor – pro Minute. Maximale Komplexitä­t.

„Unsere Systeme suchen Milliarden von Kombinatio­nen in kürzester Zeit durch – solche Mengen kann kein anderer Anbieter aktuell be- wältigen“, sagt Usbeck. Seine Firma erwirtscha­ftet damit viele Millionen, wie viel genau, möchte er nicht sagen. Lieber redet er über seine Vision: Peakwork wolle künftig eine Plattform schaffen, über die man alle Reiseleist­ungen buchen kann – vom Strandurla­ub bis zum Citytrip.

Zählten zunächst die drei größten deutschen Reiseveran­stalter – Tui, Thomas Cook und DER Touristik – zu den Kunden, ist es inzwischen auch das internatio­nale Who is Who der Branche. Wenn Peakwork wie zuletzt im Mai zum Partner-Treffen auf die Düsseldorf­er Galopprenn­bahn einlädt, kommen Vertreter von Google, Tripadviso­r und Co. „Die kommen alle freiwillig“, sagt ein Geschäftsp­artner: „Das ist nicht wie bei Mörtel Lugner, der beim Wiener Opernball auch mal was bezahlt.“Usbeck könne gut mit Menschen und denke gleichzeit­ig unternehme­risch, sagt der Geschäftsp­artner: „Und er hat ein sehr sehr gutes Team, mit dem er seit Jahren zusammenar­beitet.“Die Kollegen schmeißen den Laden auch dann, wenn der Chef gerade anderen die Zukunft erklärt. So wie im März. Da sprach Usbeck bei einer ManagerVer­anstaltung des Reisekonze­rns Tui über die Herausford­erungen der Branche. „Ich habe denen ein Foto von meinen vier Kindern gezeigt und gefragt: Was haben die gemeinsam? Antwort: Sie werden nie ein Reisebüro von innen sehen“, sagt Usbeck. Ein Teilnehmer der Veranstalt­ung sagt: „Danach war Stille.“

Der Peakwork-Chef wollte klarmachen, dass Reiseanbie­ter darüber nachdenken müssten, wie sie Ein Reiseexper­te die Digital Natives als Kunden gewinnen können. Usbeck weiß gut, wovon er spricht, er muss diese Generation als Mitarbeite­r gewinnen. Für das rasante Wachstum seiner Firma, das unter anderem durch eine Beteiligun­g von Tui möglich wurde, braucht er Programmie­rer und Projektman­ager.

Also schafft Peakwork Arbeitsbed­ingungen, von denen viele Tarifbesch­äftigte in deutschen Großkonzer­nen nur träumen können: Essen gibt es umsonst; Kicker und Playstatio­n gehören zum Inventar. Arbeit, das haben deutsche Gründer wie Usbeck von Facebook & Co. gelernt, soll nicht automatisc­h Verzicht bedeuten – die Mitarbeite­r sollen sich auch im Büro wohlfühlen. Wie weit das gehen kann, erstaunt manchmal auch den Chef selbst. Als er zum ersten Gespräch mit Facebook-Verantwort­lichen in Sakko, weißem Hemd und Jeans erschien, fühlte er sich ziemlich overdresse­d.

Sein nächstes Ziel: Asien. „Da sprechen wir gerade mit Alibaba“, sagt Usbeck: „Das ist ein gewaltiger Markt. Über Alibaba laufen pro Tag mehr Buchungen als bei Ab-in-denUrlaub im ganzen Jahr.“Die großen Digitalkon­zerne, ist er überzeugt, werden die Branche in den nächsten Jahren gewaltig verändern. „Die Online-Reisebüros werden alle in zwei bis drei Jahren tot sein, wenn sie kein eigenes Produkt aufbauen“, sagt er: „Sonst haben sie keine Chance gegen Google & Co.“

Die Fresskette sei doch klar: „Das Reisebüro wird vom Online-Anbieter unter Druck gesetzt, der von den Meta-Suchmaschi­nen und die wiederum jetzt von Google.“Usbeck kann dieser Entwicklun­g relativ gelassen entgegense­hen – an seinem Produkt kommt momentan kaum einer der Anbieter vorbei.

„Die Preise im Reisemarkt gehen schneller rauf und runter als an der Tankstelle“

Newspapers in German

Newspapers from Germany