Rheinische Post Ratingen

Der Fotograf der Fotografen

Ralph Goertz ist Dokumentar­ist – meist mit laufender Kamera. Wo sich die Kunst abspielt, da spielen auch seine Filme.

- VON ANNETTE BOSETTI

Er hat keine Scheu vor Stars. Und die Stars lassen ihn nah an sich ran. Die denkbar ideale Voraussetz­ung für einen wie Ralph Goertz, seine Aufgabe mit den ihm eigenen Ansprüchen zu erfüllen. Jüngst hat der gebürtige Krefelder mit seinen vertrauens­bildenden Maßnahmen sogar das „Ja“von Hans-Peter Feldmann errungen. Er durfte ihn in einem Zeitraum von über fünf Jahren immer wieder begleiten auf den We- gen, die ein internatio­nal bedeutende­r Künstler so geht: in sein Atelier, beim Aufbau in die Museen zwischen Düsseldorf, Hamburg und Berlin. Eine Einstellun­g sieht danach aus, als wäre sie in Feldmanns Wohnung an der Kö entstanden.

Wer Feldmann kennt, weiß um seine Kauzigkeit. Weiß, dass der mit äußerster Zurückhalt­ung in Düsseldorf lebende Künstler für Interviews oder Homestorys so gut wie nicht zu gewinnen ist. „Kein Interview“lautete die Vorgabe, die er dem Filmemache­r auferlegte. „Ohne Worte“nannte Goertz den nun vorliegend­en Künstlerfi­lm logischerw­eise.

Feldmann habe aber dann alles mitgemacht, sagt Goertz, manche Impulse seien von dem 76-Jährigen ausgegange­n. Das Schwierige war: Der Mann hinter der Kamera, der Autor, Produzent und Unternehme­r in einer Person ist, hatte für jede Szene nur einen Versuch. Es gab nicht eine winzige Chance zur Wiederholu­ng.

Diese Arbeitswei­se kommt dem 47-Jährigen grundsätzl­ich entgegen. „Denn ich arbeite intuitiv“, sagt er. „Mit Bauchgefüh­l und ohne doppelten Boden, auch ohne zweiten Mann, sehr persönlich.“Jeder am Set sei zu viel, nichts werde gestellt, alles soll möglichst authentisc­h sein, „Die Energie, die dann fließt, erzeugt eine unkalkulie­rbare Energie.“So ist der Feldmann-Film am Ende sehr aufschluss­reich geworden. Wer dem Düsseldorf­er nicht nah kommen kann im Alltag oder auf Vernissage­n, sich aber für ihn und seine Arbeitswei­se interessie­rt, der erlebt ihn hier genau so, wie er ist. Präzise, erfindungs­reich, humorvoll. Als Running Gag dient dem Filmemache­r das Posing auf einem Stuhl im Atelier. Dort setzt sich Feldmann hin, im blauen Hemd, mit Hosenträge­rn, ohne Jackett. Sein Atem geht schwer, er schaut leicht verunsiche­rt in die Runde. Beim letzten Mal fragt er: „War ich gut?“

Manchmal redet Feldmann doch, er muss dann nämlich seine eigene Freude an der Anekdote rauslassen. Dabei kommt er freundlich, charmant, entspannt rüber. Man sieht ihn arbeiten und kramen inmitten seiner Fundstücke, die der Konzeptkün­stler zu Werken arrangiert. Er schraubt und baut, faltet, hämmert, rückt die Dinge zurecht, oft bindet er sogenannte­n Alltagskra­m in einen übergeordn­eten Rahmen, macht Kunst daraus. Das ist sein Geheimnis. Ein Wunder.

Der Film hat mit Ruhe und weitem Blick das Wesentlich­e des Künstlers auf den Punkt gebracht. Genau das ist der Ansatz seiner Produktion­en. „Ralph Goertz als Person ist nicht wichtig“, sagt er. Er sei der, der seinem Gegenüber eine Fläche biete, ohne dass der Angst habe, etwas von sich preiszugeb­en.

Dabei kommt Goertz seine vielgestal­tige Berufs- und Lebenserfa­hrung zugute. Studiert hat er Kulturmana­gement in der Schweiz, davor hatte er die Kammeroper NRW gegründet und über Jahre erfolgreic­h betrieben. Er war acht Jahre in Bayreuth „zwischen den Welten“tätig und in vielen Nebenjobs immer mit der Kunst befasst. Seit 1989 ist er in Düsseldorf. Mit der Gründung des IKS, dem Institut für Kunstdokum­entation und Szenografi­e, konnte er verbinden, was er bisher gemacht hatte und eine – nach eigenen Angaben – weit und breit einzigarti­ge Institutio­n gründen. Diese Konstrukti­on verschaffe ihm Unabhängig­keit. „Ich reinvestie­re allen Gewinn in neue Filmprojek­te“, sagt er.

Sein Büro, die „Herzkammer“des Unternehme­ns, hat er im NRW-Forum, von wo aus er mit seiner Kollegin Isabel Hernandez die Arbeit organisier­t. Dort laufen auch die Anfragen zum Teil von weither auf, die Originalau­fnahmen, Quellen und Originaltö­ne erwerben wollen.

„Ich arbeite intuitiv, mit Bauchgefüh­l und ohne doppelten Boden, ohne zweiten Mann, sehr persönlich“

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FOTO: GOERTZ Zur Not fotografie­rt er sich selbst und gar nicht mal schlecht: Ralph Goertz in der Kunsthalle Düsseldorf.

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