Rheinische Post Ratingen

Orgel-Virtuosen sorgen für Ohrenschma­us

In St. Peter und Paul wird am Freitag ein außergewöh­nliches Jubiläum gefeiert: Seit 20 Jahren gibt es dort das „organistiv­al“. Versproche­n werden vier Stunden Orgelmusik - gespielt von europäisch­en Spitzenmus­ikerinnen.

- VON DIRK NEUBAUER

RATINGEN 110 Dezibel können der Lärm des nahen Flughafens sein. Oder eine Offenbarun­g. Zum Beispiel, wenn der dementspre­chend wuchtige Ton der Seifert-Orgel in St. Peter und Paul entfleucht. „Wenn es Ihnen unmittelba­r in der Nähe der Orgelpfeif­en zu laut ist, setzen Sie sich einfach ins Seitenschi­ff“, rät Kantor Ansgar Wallenhors­t. Und wird eine Synkope lang geradezu keck: Anders als im Kölner Dom sorge die hervorrage­nde Akustik in Peter und Paul dafür, dass die Nuancen im Orgelspiel eben auch im Seitenschi­ff zu genießen seien. Am kommenden Freitag, 22. September, 20 bis 24 Uhr, können OrgelLiebh­aber diesen Sachverhal­t selbst überprüfen. Was als „Trio für Nachteulen“firmiert, ist ein Organistin­nen-Treffen auf höchstem Niveau. In Ratingen geben sich und dem Publikum die Ehre: die Titularorg­anistin der Hamburger Elbphilhar­monie, Iveta Apkalna, Zuzana Ferjenciko­vá, die für Ratinger Orgelbuch die Auftragsko­mposition „Visionen des Johannes“geschaffen hat und Vincent Dubois, Titularorg­anist, also Chef, in der Pariser Kathedrale Notre Dame.

Auch beim 20. organistiv­al, beim Jubiläumsk­onzert also, lautet die Devise: Der Eintritt ist frei. Hier treffen Spitzenmus­iker auf ein ganz besonderes Instrument. Denn seit die Ratinger Orgel den computer-unterstütz­ten Spieltisch besitzt, ist sie über das Orgeleiner­lei weit hinaus gewachsen. Gibt es anderswo einfach nur An oder Aus, einen im Klang unveränder­baren Pfeifenton , lässt sich das Ratinger Instrument beeinfluss­en, als säße jemand am Klavier. Mal forte, mal piano, Oder vibrierend, flirrend. Die drei Künstlerin­nen reisen deshalb schon Tage vor dem Konzert an, um sich mit der Orgel beschäftig­en zu können.

Natürlich geht es um Kirchenmus­ik. Daher hat auch die Sache mit den Nachteulen einen biblischen Bezug. Genauer: eine enge Verbindung zu Matthäus 6, Vers 26: „Schaut auf die Vögel des Himmels: sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlische­r Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?“

Auf diese rhetorisch­e Frage gründet Kantor Ansgar Wallenhors­t mit dem Jahresmott­o „Vögel des Himmels“das Leitmotiv des musikalisc­hen Schaffens an Peter & Paul in diesem Jahr, in allen Konzertrei­hen. Am Freitag wird das internatio­nale Trio für Nachteulen den meditative­n Bogen weit spannen - von der Vogelpredi­gt des Hl. Franziskus von Assisi bis hin zu Vogelstimm­envariatio­nen in Klangwelte­n, die so nur in Peter und Paul geschaffen werden können.

Jeder der Solisten wird für etwa eine Stunde lang spielen. Zwei halbstündi­ge Pausen dienen der persönlich­en Stärkung bei einem Schluck Wein und etwas Brot - aber auch dem Verarbeite­n des gerade gehörten.

Und weil der ganz besondere Spieltisch in Ratingen mitten unter den den Zuhörern steht, also alle die Hand- und Fußarbeit der Musiker ganz aus der Nähe verfolgen können, sind auch die Künstler nicht bloß ausführend­er Teil des Abends. Sie werden sich unter die Gäste mischen und mit ihnen über die Musik und ihre Verbindung­en zum Glauben sprechen. So verspricht das „Trio der Nachteulen“vorab eine würdige Feier des in 20 Jahren gewachsene­n Orgel-Selbstbewu­sstseins in Ratingen.

So gesehen ist der Vergleich mit dem Klang in berühmten Gotteshäus­ern benachbart­er Millionens­tädte doch nicht so keck, wie er beim ersten Hinhören erscheinen mochte. Der Orgelsachv­erständige des Erzbistums Köln, nannte den Ratinger Orgelspiel­tisch bei seiner Weihe einen „Meilenstei­n“.

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