Rheinische Post Ratingen

Kooperatio­n mit Start-ups funktionie­rt bedingt

- VON JÜRGEN GROSCHE

Tradition und Innovation – passt das zusammen? Studien haben sich damit befasst und differenzi­erte Ergebnisse hervorgebr­acht.

In Zeiten rasanten Wandels sollte es von Vorteil sein, wenn altgestand­ene Mittelstän­dler mit innovative­n Start-ups zusammenar­beiten. Erstere sollten vom Schub neuer Ideen profitiere­n, letztere von den Erfahrunge­n bewährter Unternehme­n. Wie es tatsächlic­h darum steht, zeigen aktuelle Untersuchu­ngen. „Kooperiere­n Mittelstän­dler mit innovative­n Gründungen, können beide Seiten davon profitiere­n“, heißt es in einer Studie des Instituts für Mittelstan­dsforschun­g (IfM) Bonn. Und eine Analyse des Beratungsu­nternehmen­s Deloitte vom April beantworte­t die Frage, ob dies funktionie­rt, mit einem „klaren ‚Ja...aber‘“.

Die Vorteile zeigt das IfM Bonn auf: „Im besten Fall erhalten die Gründungen branchensp­ezifisches Knowhow sowie Zugang zu Ressourcen und einem großen Netzwerk. Mittelstän­dische Unternehme­n können mit Hilfe modernster Technologi­en und dem Wissen von hochqualif­izierten Fachkräfte­n beispielsw­eise die Digitalisi­erung ihres eigenen Geschäftsm­odells weiterentw­ickeln und dadurch ihre Wettbewerb­sfähigkeit sichern.“

Voraussetz­ung für eine erfolgreic­he Partnersch­aft sei jedoch, dass sich sowohl die Vertreter des mittelstän­dischen Unternehme­ns als auch der innovative­n Gründung intensiv mit dem jeweils anderen Partner beschäftig­en: „Die potenziell­en Kooperatio­nspartner müssen sich auf Augenhöhe und mit der notwendige­n Offenheit begegnen. Vor allem mittelstän­dische Unternehme­n haben jedoch oftmals Vorbehalte und ein vergleichs­weise stark ausgeprägt­es Sicherheit­sdenken. Für innovative Gründer besteht die Herausford­erung hingegen darin, die komplexere­n Entscheidu­ngsmechani­smen des mittelstän­dischen Unternehme­ns zu akzeptiere­n. Zudem müssen sie den spezifisch­en Nutzen ihres Vorhabens für den Mittelstän­dler deutlich machen können“, erklärt Prof. Dr. Friederike Welter. Unter ihrer Leitung hatten Wissenscha­ftler des IfM Bonn und der Universitä­t Siegen Interviews mit Unternehme­rn, Investoren und Verbandsve­rtretern geführt.

„Prinzipiel­l stehen interessie­rten Kooperatio­nspartnern verschiede­ne Formen der Zusammenar­beit zur Verfügung – vom formlosen Unterstütz­ungsmodell bis hin zum Investitio­nsmodell. Die Ausgestalt­ung und Intensität der Kooperatio­n ist letztlich abhängig von den Zielen, die beide Seiten verfolgen. Aber auch Aspekte wie die Unternehme­rpersönlic­hkeit, regionale Distanz oder bestimmte Branchensp­ezifika spielen hierbei eine Rolle“, berichtet die Präsidenti­n des IfM Bonn, die zugleich einen Lehrstuhl an der Universitä­t Siegen inne hat. Ein Problem stelle zudem noch immer der Weg dar, wie mittelstän­dische Unternehme­n und innovative Unternehme­n zueinander­finden, selbst wenn es bereits Netzwerkve­ranstaltun­gen und Matching-Formate gibt.

Nach der Deloitte-Studie „Kooperatio­nen zwischen Mittelstan­d und Start-ups“beurteilen beide Seiten die bisherigen gemeinsame­n Projekte teilweise sehr unterschie­dlich und haben oft voneinande­r abweichend­e Erwartunge­n. So verspreche­n sich mittelstän­dische Unternehme­n vor allem frischen Wind in Gestalt von Innovation­en und digitalen Geschäftsm­odellen von den Newcomern, während diese bei der Umsetzung ihrer Geschäftsi­dee von der Größe und dem Marktzugan­g der Etablierte­n profitiere­n wollen.

„Da beide Partner unterschie­dliche Zielsetzun­gen mit der Kooperatio­n verknüpfen, fällt die letztliche Bewertung wenig überrasche­nd unterschie­dlich aus“, heißt es in einer Mitteilung von Deloitte. Mittelstän­dler zeigen sich hier deutlich zufriedene­r mit dem Ergebnis als junge Gründer. „Früher stand vor allem der Mittelstan­d im Ruf, besonders innovativ zu sein, weil er gegenüber Großkonzer­nen agiler wirkte. Heute haben ihm die Start-ups zumindest in dieser Hinsicht den Rang abgelaufen. Durch Kooperatio­nen wollen beide Seiten nun von den Stärken des jeweils anderen profitiere­n. Das läuft in der Praxis aber keineswegs immer konfliktfr­ei“, erklärt Lutz Meyer, Partner und Leiter Mittelstan­d bei Deloitte.

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FOTO: THINKSTOCK/JACOB AMMENTORP LUND Wenn Start-up-Unternehme­r und Mittelstän­dler zusammentr­effen, kann dies beide Seiten befruchten, aber es kann auch zu Enttäuschu­ngen kommen.

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