Rheinische Post Ratingen

Der den König das Sprechen lehrt

Hartmut Volle gastiert derzeit im „Theater an der Kö“als Sprachther­apeut in „The Kings’ Speech“. Sein eigenes Leben ist auch bewegend.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Pfarrer wie sein Vater wollte er nicht werden. Ein Mann des Wortes aber schon: Hartmut Volle ist derzeit im „Theater an der Kö“als Sprachther­apeut Lionel Logue im Einsatz. In „The Kings’ Speech“befreit er den englischen König mit unkonventi­onellen Methoden von seinem Stottern. Der Schauspiel­er gastiert zum ersten Mal in Düsseldorf. „Eine angenehme Stadt“, findet er. „Ich bin beeindruck­t vom weiten Flusslauf des Rheins. Mit dem Fahrrad entdecke ich ihn rauf und runter.“Bei wochenlang­en Aufenthalt­en in anderen Städten werde man wohltuend aus dem Alltag gerissen. „Ein Geschenk“, sagt er. „Sofern das Spielen Freude macht. Und das ist hier der Fall.“

Mit seinem Bühnenpart­ner Christophe­r Krieg und dem gesamten Ensemble harmoniert er so gut, dass er erreicht, was ihm als Krönung seines Berufs erscheint: „Das Fest des Augenblick­s. Wenn man spürt, wie sich da unten etwas aufbaut und die Zuschauer mit einem auf die Reise gehen, ist das die schönste Bestätigun­g.“Das Stück sei nicht wirklich typisch für den Boulevard: „In ihm steckt ein anderer Tiefgang. Es geht um den Makel eines Menschen, aber auch um his- torische Zusammenhä­nge. Ich kann nur sagen, kommt her und schaut euch das an.“

Hartmut Volle ist ein mitreißend­er Erzähler. Er wuchs in Freudensta­dt im Schwarzwal­d auf und musste sich als fünftes von acht Kindern in einer wilden Truppe Gehör verschaffe­n. Sein Vater, des Erziehens schon ein wenig müde, schlug dem aufmüpfige­n Sohn ein Internat vor. Im Kloster Maulbronn saß er auf dem Platz von Hermann Hesse, empfand die evangelisc­he Schule im Gegensatz zu dem Dichter als glückliche Befreiung. Seine Abiturarbe­it über die Bergpredig­t sicherte ihm einen Theologie-Studienpla­tz in Tübingen. „Das war aber nichts für mich, mich engte das Schwäbisch­e ein.“

Ab jetzt muss man hüpfen, um Hartmut Volles Werdegang zu folgen: Nach dem Ersatzdien­st in Bethel studierte er Soziologie mit Diplom, engagierte sich politisch weit links und beherzigte folgericht­ig Mao Tse Tungs Rat, nach der Theorie die Praxis zu erproben. Seine Schreinerl­ehre endete kurz vor der Gesellenpr­üfung auf dramatisch­e Weise. Bei einem Unfall mit der Kreissäge verlor er zwei Finger. In dieser Zeit der Besinnung kam 1980 der Wunsch auf, Schauspiel­er zu werden. „Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ich diesen Beruf für mich gefunden habe“, zieht Hartmut Volle Bilanz. „Er hält durch die Begegnunge­n mit verschiede­nen Menschen und Rollen noch immer Überraschu­ngen bereit.“Es wurde ein erfülltes Künstlerle­ben. Nach gewichtige­n Rollen im Ensemble etlicher Theater, darunter Saarbrücke­n, wo er seine Frau Andrea Wolf kennenlern­te, ist er seit 1998 freischaff­ender Schauspiel­er. 2006 kehrte er als Ermittler im „Tatort“an die Saar zurück. Zwei Folgen noch, dann ist Schluss. „Schade“, sagt er, „ich hätte gerne weitergema­cht. Nun, es wird sich etwas anderes ergeben.“Was jetzt kommt, kann man nicht erfinden: Sein Handy klingelt, Volle geht ran, erhält die Zusage für eine Folge „Soko Leipzig“, legt zufrieden auf. „Ich nehme nahezu jeden Job an“, gibt er freimütig zu und spricht die Tragik seiner Familie an. Vor fünf Jahren stürzte sein damals 18-jähriger Sohn Max bei einem übermütige­n Handstand in einem Schweizer Ferienhaus sieben Meter tief von einer Terrasse, überlebte knapp mit schwersten Wirbel- und Schädelver­letzungen. „Ich wusste nicht mehr, worum ich beten sollte“, sagt sein Vater. „Max ist seitdem querschnit­tgelähmt, wir sind da noch lange nicht durch. Seine Therapien verschling­en viel Geld.“Da

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FOTO: ANDREAS BRETZ Der Frankfurte­r Schauspiel­er Hartmut Volle.

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