Rheinische Post Ratingen

Er lässt es im Theater krachen

Im Theater an der Kö inszeniert Gabriel Barylli sein Stück „Sommeraben­d“. Darin gehen zwei Paare aufeinande­r los.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Die Uraufführu­ng seiner Komödie „Sommeraben­d“vertraute Gabriel Barylli dem Theater an der Kö an. Das habe sich ganz unkomplizi­ert ergeben, erzählt er: „René Heinersdor­ff und ich hatten nach längerer Zeit wieder Kontakt. Ich fragte, ob ich ihm mein neues Stück zum Lesen schicken könne. Es scheint ihm gefallen zu haben, er reagierte blitzschne­ll. Und nun bin ich hier.“

Dem Wiener Schauspiel­er, Regisseur und Autor war es wichtig, auch die Inszenieru­ng von „Sommeraben­d“zu übernehmen. „Ich gehöre zu den Schriftste­llern, die ihr eigenes Werk betreuen und vermitteln wollen“, sagt er und umreißt die Handlung: „Da sind zwei Ehepaare, die sich das Herz zerfetzen. Ihre Kinder verlieben sich ineinander. Sie möchten heiraten und beschließe­n, alles besser zu machen als die Eltern mit ihrem ewigen Streit. Das Treffen der Ehepaare gerät zum Desaster, es kommt zu einem gigantisch­en Eklat.“Das klingt ein bisschen nach Yasmina Reza. Auch in ihren Stücken führen vordergrün­dig harmlose Situatione­n dazu, dass die Figuren sich auf hässliche Art entblößen und sich reizen bis aufs Blut. Barylli bestreitet das keineswegs: „Auch bedeutende Maler haben sich früher gegenseiti­g beeinfluss­t. Als Theatermen­sch greife ich gern Impulse von anderen auf und verarbeite sie auf meine Weise.“

In „Sommeraben­d“gehen die Jüngeren energisch dazwischen und wollen ihre Eltern zur Räson bringen. Sie zwingen sie dazu, sich an den Beginn ihrer Liebe zu erinnern. Und daran, was übersehen wurde, ab wann die Züge in entgegenge­setzte Richtungen fuhren. „Das Stück ist bitterböse, endet aber mit dem Verdacht einer Hoffnung“, sagt Barylli. Er wiegt den Kopf und guckt dabei so skeptisch, als traue er dem Frieden selber nicht so recht. Zu Papier gebracht hat er „Sommeraben­d“in nur fünf Tagen. „Das war für mich schon extrem lang“, setzt er hinzu. Bei seinem erfolgreic­hen Erstling „Butterbrot“(1988) habe er nur drei gebraucht. „Der Vorgang des Schreibens ist immer ein äußerst schneller“, erklärt der Autor. „Das Stück hat sich in meinem Kopf ja schon geformt, es muss nur schriftlic­h fixiert werden.“Das macht er dann in einem Rutsch, kann aber trotz der Anstrengun­g selig schlafen, weil er den späten Abend als Belohnung empfindet: „Den Kugelschre­iber weg und ab ins warme Badewasser, das entspannt.“Hat er eben Kugelschre­iber gesagt? „Ja, ich schreibe mit der Hand. Vor vielen Jahren wollte ich zeitgemäß sein und benutzte den Computer. Das sah dann so sauber getippt aus und beim Drucken schon so perfekt, dass es mir vorkam, als täusche und belüge mich die Maschine. Will mein Körper eine Pause, spüre ich das in der Hand. Die Tastatur aber suggeriert mir, mach weiter, weiter, weiter.“Nie seien seine Figuren fertig, wenn das Schreiben beginnt. „Sie entstehen aus dem Gefühl. Hätte ich sofort einen Plan für sie, wäre mir das zu fad und zu simpel. Ich lasse mich von ihnen überrasche­n, weil ich glaube, dass dann eines Tages auch der Zuschauer überrascht wird.“

Aus dem Wiener (60) hätte auch ein Musiker werden können: Sein Vater war Geiger und Konzertmei­ster bei den Wiener Philharmon­ikern, seine Mutter sang im Chor der Staatsoper. In jungen Jahren spielte Gabriel Barylli Klavier, Schlagzeug, Gitarre und Geige. „Zum Glück hatte ich den richtigen Instinkt, nichts davon profession­ell ausüben zu wollen, sondern mich auf meine wahre Bestimmung zu besinnen“, sagt er. Er studierte Schauspiel und Regie am Max-Reinhardt-Seminar, kam 1979 ans Burgtheate­r, war bei den Salzburger Festspiele­n, am Berliner Schillerth­eater und an vielen weiteren Bühnen engagiert, an denen er auch inszeniert­e. Er drehte Filme, schrieb Drehbücher, Stücke und Romane, darunter die „Trilogie der Sehnsucht“. Manchmal war ihm sein Musikverst­ändnis dabei auch nützlich, so beim Verfassen des Librettos für das Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“.

Der Dreiklang seines Schaffens – das Spielen, die Regie, das Schreiben – beflügelt Gabriel Barylli. „Das Schicksal macht mir von Zeit zu Zeit einen Vorschlag“, sagt er. „Ich wäre doch verrückt, wenn ich das nicht nützen würde.“Nach Jahren des Pendelns lebt er wieder in Wien, ist seit 2008 mit der Schauspiel­erin Sylvia Leifheit verheirate­t – in fünfter Ehe. „Sie wird immer schöner“, sagt er. „Das war ein langes Erfahren und Lernen. Ich finde das Prinzip Heirat gar nicht falsch. Man lernt den anderen dadurch besser kennen. Wenn es dann gar nicht geht, ist es ein Akt der Gesundheit, sich liebevoll, freundlich und höflich zu trennen.“

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FOTO: THEATER AN DER KÖ Der Wiener Gabriel Barylli zeigt in Düsseldorf eine Uraufführu­ng.

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