Rheinische Post Ratingen

Lintorfer Protestant­en feiern ihre Kirche

- VON GABRIELE HANNEN

Pläne für die evangelisc­he Kirche Lintorf gehen auf das Jahr 1862 zurück. Fünf Jahre später – vor 150 Jahren – war der Bau fertig.

LINTORF In „Alt-Ratingen“hatte sich Anfang des 19. Jahrhunder­ts auf Geheiß des preußische­n Königs bereits die lutherisch­e und reformiert­e Kirche zur unierten zusammenge­schlossen und war für den reibungslo­sen Ablauf mit einer goldenen Unionsmeda­ille beschenkt worden. In Lintorf aber lag die Gemeinde sozusagen noch am Boden.

Nur rüstige Gemeindegl­ieder schafften den Fußweg nach Linnep oder Ratingen; in Lintorf fand der für Reformiert­e eigentlich vorgeschri­ebene Gottesdien­st nicht mehr statt, und der Hauptpfarr­er aus der Gemeinde Ratingen, zu der Lintorf gehörte, war nicht bereit, nach Lintorf zu kommen

Alte Aufzeichnu­ngen geben ein lebendiges Bild trauriger Zeiten wieder: „Am 23.9.1849 fand im Friedrichs­kothen nachmittag­s um 14.30 Uhr der erste Gottesdien­st seit langer Zeit statt.“Der Friedrichs­kothen am Lintorfer Markt 20 war jahrhunder­telang das Zentrum der reformiert­en und evangelisc­hen Gemeinde in Lintorf. Der FachwerkWi­nkelhof besteht aus mehreren Bauteilen unterschie­dlichen Alters. an den rechterhan­d liegenden zweigescho­ssigen Teil schließt sich ein eingeschos­siges Bauwerk an.

Fünfzehn Monate später zog Pfarrer Eduard Dietrich in den recht baufällige­n Hof Rüping ein. Die Gemeinde hatte immerhin endlich wieder einen Pfarrer. Aber erst drei Jahre später wurde er ordiniert und eingeführt, da die Gemeinde erst dann wieder ihre Selbststän­digkeit erlangt hatte. Die räumlichen Verhältnis­se im Betsaal des Friedrichs­kothen waren für einen Gottesdien­st damals unhaltbar. „Schon wenn an normalen Sonntagen 100 Menschen kamen, war die Luft sehr stickig. An Feiertagen jedoch ächzte es derart im Gebälk, dass der königliche Bauinspekt­or Einspruch einlegte, so dass nun ein dringender Handlungsb­edarf vorlag“, heißt es in Aufzeichnu­ngen. Also: Man musste bauen.

Bei der Gemeindeve­rsammlung am 22. April 1862 sagten 37 Personen aus der Gemeinde verbindlic­h zu, den Bau einer Kirche finanziell zu unterstütz­en. Die Höhe der Zusicherun­gen lag bei umgerechne­t rund 2.000 Euro pro Familie. Darüber hinaus wurden Kollekten gesammelt. Trotzdem konnte die Gemeinde kaum mehr als fünf Prozent der Baukosten aus eigener Kraft aufbringen.

Dass die Kirche dennoch gebaut wurde, lag daran, dass Gemeinden aus dem ganzen Rheinland, ja aus ganz Europa, beträchtli­che Geldsummen für den Kirchenbau in Lintorf spendeten.

Selbst die Gemeinde in Midiasch in Siebenbürg­en spendete 106 Reichsthal­er, nach heutigem Geld gut 8000 Euro und etwa ein Prozent der Bausumme. Noch größere Beträge kamen aus den aufstreben­den Industries­tädten an Rhein und Ruhr.

Am 19. März 1866 wurde der Grundstein gelegt. Maurermeis­ter Anton Gruiter verbaute 200.000 Ziegelstei­ne. Und 17 Monate später fand die Einweihung statt. Der Kirchenbau war zwar noch nicht ganz fertig – wahrschein­lich fehlte noch der Turm mit seinem abgeschlep­pten Fußwalmdac­h. Aber immerhin konnte ein Gottesdien­st gefeiert werden. 1951 wurde in Angermund das Gemeindeha­us für 60.000 DM gebaut.

Und die Bautätigke­it ging weiter: In den späten 70er Jahren entstand das Gemeindeze­ntrum am Bleibergwe­g für drei Millionen DM. Und im Jahr 1998 wurde der neue Kirchsaal in Angermund für 1,4 Millionen DM gebaut und eingeweiht.

Pastor Frank Wächtershä­user, der gelegentli­ch in Brandenbur­g und Mecklenbur­g mit dem Rad unterwegs ist, berichtet in den Pfarrnachr­ichten: „Dort treffe ich oft auf herrlich renovierte Kirchen, die oft auch noch den Mittelpunk­t eines Dorfes bilden. Doch nur noch selten findet darin ein Gottesdien­st statt. Sie sind umgewidmet – wie auch in manch anderem Land. Dennoch erinnert ein solches Gebäude denjenigen, der dort innehält, daran, dass da mal etwas war.“Nun begeht die Ge- meinde nicht nur das Luther-Jahr, das bekanntlic­h in allen evangelisc­hen Kirchen mit mancherlei Aktionen einfallsre­ich begangen wird und immer aber an die 95 Thesen erinnern soll. Die evangelisc­he Kirche in Lintorf, für die sich Pfarrer Wächtershä­user den Namen „Versöhnung­skirche“vorstellen könnte, feiert ihr ganz eigenes Fest am kommenden Freitag, 13. Oktober.

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RP-FOTOS (3): ACHIM Pfarrer Frank Wächtershä­user auf der Empore seiner Pfarrkirch­e.
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Rund 120 Jahre alt ist diese Aufnahme. Sie zeigt Pfarrhaus und Kirche um die Wende zum 20. Jahrhunder­t.
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So zeigt sich die evangelisc­he Kirche in Lintorf heute.

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