Rheinische Post Ratingen

Zwei Frauen und ein Baby

Regisseur David Dietl seziert in seiner ernsten Komödie „Ellas Baby“eine Patchwork-Familie.

- VON ULRIKE CORDES

HAMBURG (dpa) Sechs Wochen Sprachkurs­us in Frankreich für einen Trupp Teenager – doch deren persönlich­e Zielvorgab­e lautet nicht etwa „Französisc­h lernen“. Sondern: „Endlich Sex haben“. Eine von ihnen, die 16-jährige Ella (Tijan Marei), besteht diese Prüfung quasi mit Auszeichnu­ng. Von einem Unbekannte­n auf einem Zeltplatz wird sie schwanger. Zurück in Berlin wirbelt ihr Zustand, den das Mädchen zunächst mit einer Abtreibung beenden will, das ohnehin fragile Gefüge ihrer Patchwork-Familie durcheinan­der. Die ernste, dabei den Zeitgeist gut treffende Geschichte erzählt der junge Regisseur David Dietl („König von Deutschlan­d“) unter dem Titel „Ellas Baby“mit viel Feingefühl und Dialogwitz.

Prominente­ste Darsteller seines Spielfilms sind Benno Fürmann als Vater Roman und Katharina Schüttler als dessen Freundin Ariane. Beide Erwachsene möchten der Jugendlich­en zur Seite stehen, der Vater begleitet sie sogar zur Abtreibung­sberatung. Doch Ella, von der 1996 geborenen Marei in ihrer ersten Hauptrolle so verstockt wie liebenswer­t verkörpert, hat nicht nur mit dem in ihrem Bauch wachsenden menschlich­en Wesen ihre Probleme. Sie ist eifersücht­ig auf Ariane und sehnt sich nach ihrer Mutter, die ihre Familie vor Jahren verlassen hat, um in Indien arme Kinder zu betreuen.

Ironischer­weise versuchen der eher lässige Fahrradhän­dler Roman und die geradezu hysterisch zielstrebi­ge Zahnärztin Ariane derweil, selbst ein Kind zu produziere­n – unter anderem mit Hilfe einer Fruchtbark­eits-App auf dem Smartphone. Daher neidet die 38-Jährige dem Teenie seine Schwangers­chaft. Vertrauen schenkt Ella nur ihrem Großvater (Peter Franke), einem knorrigen früheren Arzt, der gern in seinem Garten werkelt und bodenständ­ige Lebensweis­heiten vermittelt. Eher positiv auf ihr aufgewühl- tes Gemüt wirkt aber auch der Nachbarsso­hn Matti (Ivo Kortling), eine verpeilte männliche Jungfrau mit Herz, die im Keller Hanf züchtet.

Währenddes­sen wird Ellas Bauch stetig dicker – und die daran sichtbar reifende junge Frau baut zu ihrem Kind immer mehr Beziehung auf. Teenager-Schwangers­chaft und Abtreibung­swunsch sind nur vordergrün­dig die wesentlich­en Themen in Dietls Werk. Vor allem analysiert der 37-jährige Sohn der 2015 verstorben­en Fernsehleg­ende Helmut Dietl („Kir Royal“) hier präzise ein modernes familiäres Beziehungs­geflecht, in dem Eheproblem­e, Langeweile und neue Partner, das Sterben der Alten und hemmungslo­se Erbschafts­debatten für ständige Reibungen sorgen.

Dabei ist Dietls Blick ein versöhnlic­her. Und seine mit der Handkamera in stimmungsv­ollen, intimen Bildern aufgenomme­ne Geschichte ein ganz unkitschig­es Plädoyer für Selbstkrit­ik, Verzeihen und Gespräche. „Ellas Baby“, Das Erste, 20.15 Uhr

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FOTO: DPA Vater Roman (Benno Fürmann, l.), seine Freundin Ariane (Katharina Schüttler, 2. v. l.) hadern mit Ellas (Tijan Marei, r.) Schwangers­chaft. Tante Susanne (Milena Dreißig, 2. v. r) und ihr Mann Thomas (Jürg Plüss) diskutiere­n mit.

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