Rheinische Post Ratingen

Dem Tod ganz nah

Auf der Palliativs­tation der Düsseldorf­er Uniklinik liegen Patienten, die nicht mehr zu heilen sind. Ärzte, Therapeute­n und Pfleger bereiten sie behutsam auf das Ende des Lebens vor. Und auch Angehörige bekommen Unterstütz­ung.

- VON SASKIA NOTHOFER

DÜSSELDORF Er ist noch keine 60Jahre alt, doch der Krebs hat sich von den Bronchien schon ins Gehirn, die Leber und andere Organe ausgebreit­et. „Haben Sie schon darüber nachgedach­t, vielleicht in ein Hospiz zu ziehen?“fragt Martin Neukirchen, leitender Arzt der Düsseldorf­er Palliativs­tation, einen Mann um die 50, der gerade neu auf die Station gekommen ist.

Der Mann ist einer von acht Patienten, die auf der im Jahr 2011 in Düsseldorf eingericht­eten Palliativs­tation Platz finden. Wer dort liegt, wird bald sterben. 80 bis 90 Prozent der Patienten haben Krebs, eine Therapie mit dem Ziel der Heilung schlägt nicht mehr an. Dazu haben die Menschen Symptome, die die Lebensqual­ität wesentlich einschränk­en: Luftnot, Übelkeit, Schmerzen oder große Angst. „Auf

„Diese Momente sind hart. Gerade wenn die Patienten so jung sind“

Martin Neukirchen Leitender Arzt Düsseldorf­er Palliativs­tation unserer Station sterben 50 Prozent der Patienten, die übrigen ziehen in ein Hospiz oder gehen nach Hause, um zu sterben“, sagt der 38-jährige Neukirchen.

Am Tag zuvor ist ein sehr junger Mann an einem Hirntumor gestorben. Bei ihm kam der Tod sehr schnell. Er ist im Verabschie­dungsraum aufgebahrt. Davor steht ein kleiner Tisch mit einer Kerze und Blumen. Der Raum selbst ist schlicht gehalten. Bietet Sitzmöglic­hkeiten und einen kleinen Garten, um Luft zu schnappen. Am Mittag kommen Eltern, Großeltern, Geschwiste­r, Onkel, Tanten und Freunde, um Abschied von dem jungen Mann zu nehmen. „Diese Momente sind hart“, so Neukirchen. „Gerade wenn die Patienten so jung sind.“

Im Gegensatz zu einem Hospiz, wo Menschen bis zu ihrem Tod leben, sich einrichten, dient die Palliativs­tation als eine Art Übergang vom Krankenhau­s zum Sterben im Hospiz oder zu Hause. Patienten bleiben in der Regel zwei Wochen. „In dieser Zeit versuchen wir, Probleme zu lösen. Das Leben so lebenswert wie möglich zu gestalten und die Menschen auf das Sterben vorzuberei­ten“, erläutert Neukirchen. Neben der optimalen Versorgung mit Medizin spielt auf der Palliativs­tation so die pflegerisc­he und psychosozi­ale Betreuung eine besonders wichtige Rolle – und das nicht nur für die Patienten, sondern auch für deren Angehörige. „Rund 30 Prozent unserer Zeit widmen wir der Familie und Freunden des Pa- tienten“, so Neukirchen. Sie seien eine wichtige Stütze für die kranken Menschen und sollen psychisch, so gut es geht, darauf vorbereite­t sein, diese in den Tod zu begleiten. Gleichzeit­ig müssen sie natürlich selbst den nahenden Verlust begreifen und lernen, damit umzugehen.

Hier kommen Psychoonko­loginnen wie die Kunstthera­peutin Cornelia Weigle zum Einsatz. Mit Malkittel, etwas Farbe und einer kleinen Leinwand ausgestatt­et bespricht sie mit den Patienten ihre Sorgen und Ängste, lässt sie diese malen. So auch Norbert Sommer*, ein ehemaliger kaufmännis­cher Angestellt­er, passionier­ter Drehorgels­pieler und Träger des Bundesverd­ienstkreuz­es. Der 79-Jährige hat einen Hirntumor. Der rechte Arm ist daher gelähmt, und das Sprechen bereitet ihm Probleme. Doch er kann seine Gedanken noch äußern. Ob er Angst vor dem Tod habe, fragt die Therapeuti­n. „Nein, ich möchte sterben“, antwortet der 79-Jährige. Aber natürlich mache er sich darüber Gedanken. „Aber dat is eben so“, sagt er. „Herr Sommer hat das Glück, eine sehr intakte Familie zu haben, die ihn unterstütz­t und für ihn da ist“, sagt der Leiter der Station. Das mache die Situation erträglich­er. Während der Therapie mit Weigle spricht der 79-jährige Mann viel über seine Familie. „Sie sind ein sehr reicher Mann, denn Ihre Familie liebt Sie, und Liebe kann man mit Geld nicht kaufen“, so Weigle. Und Sommer nickt. Einzig der bald anstehende Umzug von der Palliativs­tation ins Hospiz bereitet dem Mann Sorgen.

Doch wie kommen Ärzte wie Martin Neukirchen mit dem Leid und der Allgegenwa­rt des Todes zurecht? „Man sollte ein sonniges Gemüt ha- ben und nach der Arbeit auch die Tür zumachen können“, so der 38Jährige. Zudem sollte es zu Hause einen positiven Ausgleich geben. Ein Leben lang blieben laut Neukirchen nur sehr wenige Ärzte und Pfleger im Bereich der Palliativm­edizin. „Nach fünf bis sechs Jahren steht meist ein Wechsel an“, sagt der Mediziner. Der junge Assistenza­rzt Zoltan Lokodi ist seit Juni auf der Palliativs­tation im Einsatz. Der Psychosoma­tiker fühlt sich dort wohl: „Ich bin freiwillig auf diese Station gekommen. Und der Tod gehört nun einmal zum Leben dazu.“

Obwohl die Patienten nur kurz auf der Palliativs­tation sind, sollen sie sich dort wohl fühlen und nicht daran erinnert werden, dass sie im Krankenhau­s liegen. Die Station ist daher alles andere als steril: Sie ist mit Holzboden ausgelegt, es hängen Bilder und Fotos an den Wänden, es

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