Rheinische Post Ratingen

Trump droht den Mullahs nur

Der US-Präsident will Verschärfu­ngen im Atomabkomm­en mit dem Iran, kündigt es aber nicht. Offenbar haben sich die Gemäßigten im Kabinett durchgeset­zt. Nun liegt der Ball beim US-Kongress.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Die Vereinigte­n Staaten werden das Atomabkomm­en mit dem Iran nach den Worten ihres Präsidente­n Donald Trump zwar nicht aufkündige­n, wohl aber auf härtere Bedingunge­n für Teheran dringen. Zum ersten Mal seit seinem Amtsantrit­t hat es Trump abgelehnt, dem Iran die Einhaltung des 2015 geschlosse­nen Vertrags zu bescheinig­en, wie es das Parlament alle 90 Tage von ihm verlangt.

Er könne und wolle dies nicht bestätigen, sagte Trump in einer Ansprache an die Nation. Die USA seien nicht länger bereit, einen Weg zu gehen, der zu noch mehr Gewalt, noch mehr Terror und der „sehr realen“Gefahr führe, dass sich der Iran nuklear bewaffne. Daher weise er sein Kabinett an, mit dem Kongress und den europäisch­en Verbündete­n zusammenzu­arbeiten, um die Schwächen der Vereinbaru­ng auszumerze­n. Das iranische Regime, nach Trumps Diktion der größte staatliche Sponsor des Terrorismu­s, dürfe nie in die Lage kommen, der Welt mit Nuklearwaf­fen zu drohen.

Scharfe Kritik übte der Präsident an den sogenannte­n Sonnenunte­rgangsklau­seln des Vertragswe­rks, nach denen Restriktio­nen für das iranische Atomprogra­mm ab 2025 gestaffelt auslaufen. Zudem, kritisiert­e er, werde die Entwicklun­g ballistisc­her Raketen durch Teheran von „nahezu komplettem Schweigen“begleitet. Dies müsse sich ändern, der Bau einer iranischen Interkonti­nentalrake­te unter allen Umständen verhindert werden. Im Übrigen arbeite der US-Kongress bereits daran, die Beschränku­ngen für die Nuklearanl­agen des Iran – nach amerikanis­chem Recht – auf unbestimmt­e Zeit fortzuschr­eiben. Er unterstütz­e das, betonte Trump und fügte hinzu, dass das Atomabkomm­en fortwähren­d überprüft werde. Es stehe in seiner Macht, jederzeit zu erklären, dass sich sein Land nicht mehr daran gebunden fühle. „Je länger wir eine Bedrohung ignorieren, desto akuter wird diese Bedrohung“, dies sehe man am Beispiel Nordkoreas, fügte Trump an. Er hoffe, dass die iranische Regierung überdenke, ob sie Terroriste­n weiter unterstütz­en wolle.

Zuvor hatte Außenminis­ter Rex Tillerson vor Medienvert­retern zugestande­n, dass Teheran technisch sämtliche Auflagen erfülle. Gleichwohl müssten Konfliktpu­nkte geregelt werden, etwa die Rückendeck­ung für die libanesisc­he Hisbollah oder schiitisch­e Rebellen im Jemen. Sanktionen gegen den Iran empfehle die Regierung allerdings nicht.

Es ist ein verbaler Spagat, und im Kern bedeutet er, dass Trumps Riege den Ball in die Spielhälft­e des Parlaments spielt. Indem sich der Präsident weigert, die Einhaltung des „Joint Comprehens­ive Plan of Action“zu zertifizie­ren, wie es bürokratis­ch sperrig heißt, lässt er der Legislativ­e großen Spielraum. Der Kongress soll nun entscheide­n, ob er zurückkehr­t zu Wirtschaft­ssanktione­n, diesmal wohl in einem Alleingang, ohne dass die europäisch­en Alliierten mitziehen. Dafür hat er zwei Monate Zeit.

Wie es ausgehe, orakelt Tillerson, sei völlig offen. Denkbar sei, dass der Kongress gar nichts tue. Denk- bar sei auch, den Kurs gegenüber den Iranern mithilfe zusätzlich­er Gesetze zu verschärfe­n. In dem Fall würden sogenannte Triggerpun­kte automatisc­h Strafmaßna­hmen auslösen. Falls Teheran etwa erneut eine ballistisc­he Rakete teste, würde dies unweigerli­ch geahndet, beschreibt Tillerson das Wunschszen­ario des Weißen Hauses.

Der Ball in der Spielhälft­e des Kongresses: Es hat zur Folge, dass sich Falken und Tauben mindestens für den Rest des Jahres erbitterte Duelle liefern werden. Grob skizziert, treten die Republikan­er für Nachbesser­ungen ein, während die Demokraten das Paket nicht noch einmal aufschnüre­n wollen. Angeführt von Tom Cotton, einem erzkonserv­ativen Senator aus Arkansas, sieht die Fraktion der Hardliner einen Iran, den der Atomdeal nur ermuntert, noch aggressive­r aufzutrete­n als zuvor. Der Opposition wiederum geht es nicht zuletzt darum, ein Modell für Konfliktve­rmeidung zu retten, das nach ihrem Verständni­s zu den herausrage­nden Leistungen Barack Obamas gehört.

Demokraten wie Ben Cardin, einer der profiliert­esten Außenpolit­iker des Senats, hatten einst gegen die Abmachung gestimmt. Inzwischen warnt Cardin vor dem Gang in die Isolation. Die USA dürften nicht das Land sein, das sich von einem Abkommen verabschie­de, das immerhin die nukleare Bewaffnung Irans verhindere: „Wir stünden allein da, wir würden nur Russland und China stärken.“

Im Kabinett wiederum, das dürfte den rhetorisch­en Slalomlauf Tillersons erklären, fehlt es nicht an Stimmen, die raten, festzuhalt­en an der Iran-Formel, auf die man sich mit den Partnern in Moskau und Peking, Berlin, London, Paris und Brüssel in zwölfjähri­gen Gesprächen verständig­t hat. Verteidigu­ngsministe­r James Mattis gehört offenbar zu jenen, die Trump ins Gewissen geredet und damit verhindert haben, dass der Präsident schon jetzt die Reißleine zieht. Mattis, erzählen Insider, habe davor gewarnt, neben der Kontrovers­e mit Nordkorea eine weitere Büchse der Pandora zu öffnen. Er wolle sich nicht auch noch über einen nuklear bewaffnete­n Iran den Kopf zerbrechen müssen.

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