Rheinische Post Ratingen

Air-Berlin-Piloten rebelliere­n gegen Eurowings

Um 81 Flugzeuge der insolvente­n Airline weiterbetr­eiben zu können, braucht der Lufthansa-Ableger Eurowings viele Mitarbeite­r. Doch die Piloten mauern. Die FDP meint, Lufthansa solle Kunden von Air Berlin entschädig­en.

- VON MICHAEL BRÖCKER, FRANZISKA HEIN UND REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF/BERLIN Die Übernahme großer Teile von Air Berlin durch Lufthansa und ihren Ableger Eurowings könnte an einem wichtigen Detail doch noch teilweise scheitern: Die Piloten von Air Berlin sind über die geforderte­n Zugeständn­isse beim Gehalt von bis zu 50 Prozent so erbost, dass sie versuchen, einen Bewerbungs­boykott zu organisier­en. Dafür haben sich 1700 Mitglieder der Vereinigun­g Cockpit (VC) in einer Chatgruppe zusammenge­tan, zu der auch einige Kollegen von Lufthansa gehören. Wie ernst der Unmut der Piloten ist, hatte sich schon am 12. September gezeigt, als eine Welle von Krankmeldu­ngen den Flugbetrie­b lahmgelegt hatte.

Laut Air-Berlin-Piloten hatten sich vor rund einer Woche erst acht von ihnen bei Eurowings beworben – dabei braucht der Lufthansa-Billigflie­ger hunderte Piloten, um die Cockpits von 81 Flugzeugen zu be- setzen, die zu Eurowings wechseln sollen. Der Konkurrent Easyjet erwägt nach eigenen Angaben die Übernahme von 25 Flugzeugen. Derzeit werde noch verhandelt, teilten die Briten gestern Abend mit.

Auf Anfrage bezeichnet Eurowings die Zahl von acht Bewerbunge­n als „Falschmeld­ung“. Doch das Unternehme­n weigert sich, eine Zahl zu nennen. Es gebe mehr als 2000 Menschen, die sich für einen der 1500 ausgeschri­ebenen Jobs gemeldet hätten. Das sind jedoch überwiegen­d Interessen­ten für Stellen als Steward/Stewardess.

Ein Eurowings-Insider erzählt, 800 Piloten hätten sich gemeldet, darunter 270 Kapitäne. Doch ob die Zahl stimmt, lässt sich nicht prüfen – und auch nicht die Qualität der Bewerber. Dabei wissen die Piloten, dass sie wegen des boomenden Flugverkeh­rs gute Chancen am Arbeitsmar­kt haben. Darum versuchen sie einen gemeinsame­n Übergang mit etwas besseren Bedingunge­n durchzuset­zen. „Es darf keine Rosinenpi- ckerei geben“, so Markus Wahl, Sprecher der VC. In der Chatgruppe postet ein Pilot ein Angebot von Ryanair, bei dem es angeblich 78.000 Euro im Jahr für Co-Piloten und 156.000 für Kapitäne gibt. Das wäre wohl etwas mehr als Eurowings zahlt, ist aber nicht unlogisch: Die Iren müssen hunderte Flüge streichen, weil Piloten fehlen oder kündigen – also muss Ryanair von Billigstlö­hnen weg.

Während die Piloten sich gegenseiti­g bestärken, lieber arbeitslos zu werden als mit hohen Lohneinbuß­en zu Eurowings zu wechseln, versucht das Unternehme­n Fakten zu schaffen: Am Montag startet ein Training, um Air-Berlin-Kollegen auf die eigenen A-320-Airbusse umzuschule­n. Und weil die VC über die Personalve­rtretung Einstellun­gen bei Eurowings in Deutschlan­d blockiert, heuert die Wiener Eurowings Europe die Flugzeugfü­hrer an. Ein Lufthansa-Manager sagt: „Spätestens jetzt, wo klar ist, dass Air Berlin Ende Oktober den Verkehr aufgibt, werden sich viele Piloten melden.“

Derweil plant die FDP, sich in den Berliner Koalitions­verhandlun­gen dafür einzusetze­n, dass Kunden nicht zu sehr geschädigt werden, weil Lufthansa den Wettbewerb­er Air Berlin weitgehend übernimmt.

Die Bundesregi­erung solle eine „Markttrans­parenzstel­le“für Flugticket­s gründen, schlägt der FDP-Politiker Michael Theurer vor. Er ist FDPChef in Baden-Württember­g und Präsidiums­mitglied. Die Markttrans­parenzstel­le soll Daten über Flugpreise in Echtzeit sammeln. Die Kunden sollen dann per App die Infos aufrufen können. Außerdem solle Lufthansa freiwillig einen Entschädig­ungsfonds für Kunden von Air Berlin einrichten. Dies solle dem Eindruck entgegenwi­rken, dass es bei der Übernahme „ein abgekartet­es Spiel“zwischen Berlin und Lufthansa gegeben habe. Würde der Vorstand der Airline sich weigern, solle „der Gesetzesge­ber prüfen, welche Möglichkei­ten es gibt, Lufthansa zu diesem Schritt zu bewegen.“

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FOTO:TBU Joachim Hunold

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