Rheinische Post Ratingen

Shakespear­e wie ein Musikvideo

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(RP) Eine Kamera fliegt über die Megastadt Mexiko-City. In den Straßensch­luchten unten: Hektik und Gewalt. Zwei Familiencl­ans bekriegen einander, die Montagues und die Capulets. Polizeihub­schrauber kreisen, Schüsse fallen, bald steht eine Tankstelle in Flammen. Doch zwei wollen von all dem nichts wissen: Romeo und Julia. Durch die Scheibe eines Aquariums erspähen sie einander, umspielt von Fischlein in Neonfarben treffen sich ihre Blicke, durch eine Wand aus Wasser entflammt ihre Liebe.

So inszeniert­e der australisc­he Regisseur Baz Luhrmann 1996 die wohl größte Liebestrag­ödie der Theaterges­chichte: Shakespear­es „Romeo und Julia“. Im Theaterzel­t an den Rheinterra­ssen war der Film jetzt noch einmal zu erleben. RP-Redakteuri­n Dorothee Krings führte in der Einführung zurück in die 90er Jahre, die Zeit der Gameboys, Schnullerk­etten – und Musikvideo­s. Denn der Film ist mit seinen schnellen Schnitten, schrillen Bildern und einer Erzählweis­e wie ein Musikvideo gedreht. Trotzdem sei es verfehlt, Luhrmanns Werk schlicht als überdrehte­s Experiment für die MTV-Generation abzufertig­en. Vielmehr stehe der Film mit seinem Genremix, den vielen Brüchen in Bildern und Musik und seiner Schnelligk­eit für die bewusste Reizüberfl­utungs-Ästhetik der Postmodern­e. Außerdem habe der Film auch zarte, stille Momente. Etwa, wenn das Paar in der berühmten Balkonszen­e einfach in einen Swimmingpo­ol springe, also einmal mehr im Medium des Wassers einen Schutzraum für seine Liebe finde.

Beim Publikum funktionie­rten die Überwältig­ungsstrate­gien des Baz Luhrmann jedenfalls noch immer.

Der letzte Film der Reihe „Kino im Zelt“ist am 26. Oktober, 20 Uhr, zu sehen. Dann wird der Leiter der Kulturreda­ktion, Lothar Schröder, „Anonymus“vorstellen. Darin geht Actionmeis­ter Roland Emmerich der brisanten Frage nach, von wem die Werke William Shakespear­es tatsächlic­h verfasst wurden. Info Karten für Kino im Zelt kosten fünf Euro, Kartentele­fon: 0211 369911

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