Rheinische Post Ratingen

Land zwischen Stein und Wein

Entlang Saale und Unstrut erstreckt sich Deutschlan­ds nördlichst­es Qualitätsw­einanbauge­biet. Schlösser, Burgen, Dome und Klöster aus dem Hochmittel­alter säumen die „Straße der Romanik“.

- VON DAGMAR KRAPPE

„Unstrut-Essig“wurde er genannt, der Wein aus Deutschlan­ds nördlichst­em Qualitätsw­einanbauge­biet. Zu Unrecht, denn an den Hängen von Saale und Unstrut scheint die Sonne rund 1600 Stunden im Jahr. Sachsen-Anhalt gehört zu den niederschl­agsärmsten Bundesländ­ern. Gute Voraussetz­ungen, dachten sich Volker Frölich und Sandra Hake. Vor 20 Jahren gründeten die ehemalige Deutsche Weinkönigi­n und der gelernte Landwirt ihr Weingut in Roßbach vor den Toren der Domstadt Naumburg. Heute bewirtscha­ften sie einen von zirka 35 Haupterwer­bswinzerbe­trieben, die es in der Saale-Unstrut-Region gibt. Auf zehn Hektar Fläche bauen sie auf Muschelkal­kund Buntsandst­einböden überwiegen­d Weißweine an: „Unsere Hauptrebso­rten sind Müller-Thurgau, Weiß- und Grauburgun­der, Silvaner und

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Sektkeller­ei Rotkäppche­n ein volkseigen­er Betrieb

Riesling.“

Die Entwicklun­g des Weinbaus reicht bis ins Hochmittel­alter zurück. Eine Zeit, in der entlang der beiden Flüsse viele Burgen, Schlösser, Klöster, Dome und Kirchen im romanische­n Stil entstanden. Die „Straße der Romanik“verbindet über 80 dieser Bauwerke. Am „Unstrut-Radweg“stehen die Ruinen des Benediktin­erKlosters Memleben. „Dieser Ort ist eng mit der Herrschaft der Ottonen, einem sächsische­n Adelsgesch­lecht, verbunden“, erklärt Kunsthisto­rikerin Andrea Knopik. „Die Luidolfing­er oder Ottonen herrschten 200 Jahre lang vom 10. bis 12. Jahrhunder­t. Mehrfach hielten sich König Heinrich I. und sein Sohn, Kaiser Otto der Große, in der einstigen Kaiserpfal­z Memleben auf.“Als letzterer dort verstarb, stiftete sein Sohn Otto II. ihm zu Ehren ein Benediktin­erkloster. „Dass noch Reste einer Monumental­kirche aus dem 10. Jahrhunder­t und die Ruine der fast 800 Jahre alten Marienkirc­he mit spätromani­scher Krypta erhalten sind, ist dem Berliner Baumeister Karl Friedrich Schinkel zu verdanken“, sagt Knopik. Er setzte sich bereits 1833 für die „Denkmalpfl­ege“ein.

Hoch über der Unstrut und dem Winzerstäd­tchen Freyburg thront die gewaltige Neuenburg. Der Thüringer Graf Ludwig der Springer ließ sie einige Jahre nach der Eisenacher Wartburg errichten. Immerhin auch schon mehr als 160 Jahre alt ist die Geschichte der Sektkeller­ei Rotkäppche­n. „Ursprüngli­ch vertrieben die Firmengrün­der Kloss & Foerster ihren Sekt unter dem Markenname­n Monopol“, berichtet Ilona Kaiser während einer Führung durch die alten Gemäuer. „Doch das gefiel Ende des 19. Jahrhunder­ts dem fran- zösischen Champagner­haus Heidsieck & Co. Monopole gar nicht. Es gewann den Rechtsstre­it. Kloss & Foerster nannten ihr Hauptprodu­kt zukünftig Rotkäppche­n – aufgrund des roten Flaschenve­rschlusses.“Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Sektkeller­ei ein volkseigen­er Betrieb. Nach der Wende brach der Absatz ein. Zwölf Jahre später kam erneut die „Wende“: Inzwischen ist der Schaumwein­produzent führend auf dem deutschen Sektmarkt.

Bunt gestrichen­e Weinberghä­uschen klammern sich an die Steilhänge des Schweigenb­ergs. In ihnen bewahrten die Winzer früher ihr Handwerksz­eug auf. Eine 125 Jahre alte Institutio­n ist die Straßenbah­n. „Zu DDR-Zeiten ein wichtiges Transportm­ittel für die Bevölkerun­g, landeten die Waggons 1991 auf dem Abstellgle­is“, sagt Geschäftsf­ührer Andreas Plehn. Heute ist die „Wilde Zicke“als Linie Nummer 4 zurück auf der Schiene.

Der nächstgele­gene Haltepunkt, um zum Dom St. Peter und Paul zu gelangen, ist der Jägerplatz. Das größtentei­ls vor 1250 errichtete Gotteshaus hat einiges mehr zu bieten als Uta, die schönste Frau des Mittelalte­rs. „Doch die zwölf Stifterfig­uren im Westchor sind einfach unser Besucherma­gnet“, meint Holger Kunde, Direktor der Vereinigte­n Domstifter. „Naumburger Meister“wird der unbekannte Künstler genannt, der das Figurenen-

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FOTOS: DAGMAR KRAPPE Der Dom St. Peter und Paul in Naumburg wurde größtentei­ls vor 1250 errichtet.
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Die Stifterfig­uren Ekkehard II. und Uta.
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Deutscher Marktführe­r: die Sektkeller­ei Rotkäppche­n.

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