Rheinische Post Ratingen

André Kaczmarczy­k ist ein Berliner Charlie Chaplin, der die Dinge leicht nehmen will und schwer daran trägt

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Fabian tanzt. Er steppt und swingt sich durch sein Leben, besucht Bordelle, die sich als bürgerlich­e Clubs tarnen, und Ateliers, in denen Künstlerin­nen die neue Freizügigk­eit leben und mit ihren Körpern dafür zahlen. Fabian lässt sich treiben durch das verruchte Berlin der 1930er Jahre, während die Weltwirtsc­haftskrise immer mehr Menschen in die Armut treibt, die Arbeitslos­igkeit wächst, die Rechtsradi­kalen an Einfluss gewinnen. Fabian sieht das alles, er erkennt die Gefahr, doch er ist ein kleiner Werbetexte­r in unsicherer Stellung. Was bleibt ihm übrig, als dem Schlagzeug zu folgen, das seitlich auf der Bühne steht und cool den Takt vorgibt für die Revue seines Lebens?

Anfang der 1930er Jahre schrieb Erich Kästner nicht nur seine berühmten Kinderbüch­er wie „Emil und die Detektive“, sondern auch einen Roman für Erwachsene: „Fabian“, die Geschichte eines jungen Mannes in Berlin, der mit krankem Herzen und reichlich Melancholi­e aus dem Ersten Weltkrieg heimgekehr­t ist. Als promoviert­er Germanist schlägt er sich so durch, ist Beobachter seiner selbst – und einer Zeit, die wie bewusstlos auf den Abgrund zutorkelt.

Erst als er sich ernsthaft verliebt, scheint es Fabian plötzlich möglich, Halt im sinnlosen Treiben zu finden. Doch schon verliert er seinen Job, in Folge auch das geliebte Fräulein. Zynismus kriecht in Fabians Leben, irgendwann auch nackte Verzweiflu­ng.

Bernadette Sonnenbich­ler inszeniert diese „Geschichte eines Moralisten“anfangs auf einer langgestre­ckten Showbühne, in einem von Glühbirnen umkränzten hellen Kasten. Dessen Rückwand besteht aus Schiebetür­en, die beizeiten den Blick freigeben auf Szenerien des Berliner Nachtleben­s. So bleibt das Treiben der Bohème für den Zuschauer wie für Fabian ein Film, der im Hintergrun­d abläuft. Fabian nimmt zwar teil, aber keinen Anteil am Geschehen. Er weiß nicht, wohin das alles führen soll.

Menschen treten auf und ab, alle mit eigenen Macken und verzerrten Gesten ausgestatt­et. Und André Kaczmarczy­k in der Titelrolle betrachtet sie mit diesem traurig-ironischen Lächeln im Gesicht; er sieht den Untergang kommen und tänzelt einfach weiter.

Diese Revue der schrägen Figuren führt mit hübschem Sarkasmus ins Berliner Milljöh, wird aber irgendwann eintönig. Doch da beginnt Sonnenbich­ler auch schon mit der Dekonstruk­tion ihres Bühnenbild­es. Erst gönnt sie Fabian noch einen kurzen Ausbruch aus dem Revuekaste­n. Er lernt das Fräulein Battenberg kennen, etwas blass gespielt von Judith Bohle, und turtelt mit ihr auf dem Dach der Showbühne. Doch die Begegnung der beiden bleibt eine schnelle sentimenta­le Nummer. Die Verhältnis­se

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