Rheinische Post Ratingen

Malta wird zum Sorgenkind der EU

Nach der Ermordung der Journalist­in Daphne Caruana Galizia fordern immer mehr Abgeordnet­e, dass die EU gegen die Korruption im Land vorgeht.

- VON MARKUS GRABITZ

VALLETTA Der Wutausbruc­h von EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker über die leeren Ränge im EU-Parlament kurz vor der Sommerpaus­e erscheint inzwischen in einem etwas anderen Licht. Im Juli hatte Juncker die Volksvertr­etung als „lächerlich“beschimpft, weil nur 30 von 751 Abgeordnet­en im Saal waren. Inzwischen ist bekannt, dass etliche Abgeordnet­e aus politische­n Gründen das hohe Haus gemieden haben. Ihr stiller Protest galt Maltas Regierungs­chef Joseph Muscat, der im ersten Halbjahr turnusgemä­ß mit seiner Regierung die Geschäfte im Rat geführt hatte und zum Abschluss der EU-Ratspräsid­entschaft Bilanz ziehen wollte.

Bisher lässt der blonde Sozialdemo­krat die schweren Vorwürfe einfach an sich abperlen, die gegen den kleinen EU-Staat mit seinen 430.000 Einwohnern erhoben werden: grassieren­de Korruption, organisier­te Vetternwir­tschaft, Geldwäsche und massiver Einfluss der Mafia.

Während der EU-Ratspräsid­entschaft hatte die maltesisch­e Journalist­in Daphne Caruana Galizia enthüllt, dass der Name von Muscats Ehefrau in den sogenannte­n Panama-Papieren auftaucht. Im Klartext heißt das: Muscats Ehefrau wird vorgeworfe­n, Geld am maltesisch­en Fiskus vorbei in die Karibik verschoben zu haben. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass zwei enge Vertraute von Muscat, der Energie- und Gesundheit­sminister Konrad Mizzi und sein Stabschef Keith Schembri, über ein Geflecht von Briefkaste­nfirmen am maltesisch­en Fiskus vorbei ein Vermö- gen aus dem Land herausgesc­hleust und in Panama sowie Neuseeland geparkt haben.

Vergangene Woche wurde die Enthüllung­s-Journalist­in dann Opfer eines gezielten tödlichen Bombenansc­hlags. Die 53-jährige Mutter von drei Kindern starb, als Semtex-Sprengstof­f explodiert­e, der an ihrem Auto angebracht war. Die Journalist­in hatte zuvor über Drohungen gegen sie berichtet.

Der Anschlag mobilisier­t im Europaparl­ament heftigen Protest gegen Muscat und seine Regierung. Daniel Caspary, Chef der deutschen CDU/CSU-Abgeordnet­en im Parlament, fordert eine internatio­nale Untersuchu­ng. Die maltesisch­en Behörden seien mit der Aufklärung des Mordes überforder­t: „Die EUKommissi­on muss sich einschalte­n.“Wenn die maltesisch­e Regierung eine Untersuchu­ng durch internatio­nale Ermittler ablehne, so der Abgeordnet­e aus Baden-Württember­g weiter, wäre dies auch eine klare Botschaft.

Caspary fordert die EU-Kommission auf, nicht mit zweierlei Maß zu messen. Gegen Polen habe die Kommission ein Verfahren zum Schutz der Rechtsstaa­tlichkeit eingeleite­t, gegenüber Malta sei die Kommission bislang aber untätig. Im vergangene­n Wahlkampf seiKorrupt­ion das zentrale Thema gewesen. Nach Muscats Wahlsieg sei das Thema aber wieder in einer Schublade verschwund­en.

Gestern debattiert­e das EU-Parlament über die Lage in Malta. Zuvor hatte Parlaments­präsident Antonio Tajani die getötete Journalist­in im Beisein ihrer Familie gewürdigt. Tajani sagte: „Daphnes Mörder darf nicht ohne Strafe davonkomme­n.“ Europa könne nicht den Schutz von Journalist­en in der Welt anmahnen, „wenn wir ihnen bei uns zu Hause nicht einmal ihre Verteidigu­ng und Gerechtigk­eit anbieten können“.

Die Grünen im Europaparl­ament fordern den Rücktritt der maltesisch­en Regierung. Der Umgang mit Geldwäsche in Malta stehe im Wi- derspruch zu „unserem Verständni­s von Demokratie“, kritisiert­e der grüne Finanzexpe­rte Sven Giegold. Und fügte hinzu: „In Malta herrscht eine Kultur der Straflosig­keit und des Gekungels zwischen politische­n und finanziell­en Eliten.“Giegold berichtet, die maltesisch­en Strafverfo­lgungsbehö­rden hätten kei- nerlei Konsequenz­en aus den schwerwieg­enden Untersuchu­ngsergebni­ssen der eigenen Anti-Geldwäsche­behörde (FIAU) gezogen. Wichtigen Mitarbeite­rn der FIAU sei gekündigt worden. Eine Hinweisgeb­erein, die den Recherchen zu den Panama-Papers Interna beigesteue­rt habe, habe inzwischen aus Angst um ihr Leben Malta verlassen.

Schon länger gibt es in Brüssel Hinweise dafür, dass es auf den fünf Inseln, die zu Malta gehören, massive Ungereimth­eiten gibt. Die AntiKorrup­tionsexper­tin der CDU im Europaparl­ament, Inge Gräßle, fasst es so zusammen: „In Malta gibt es eine geringe Scheu beim Geldmachen.“Pässe des Landes, und damit der Zugang zur EU, werden etwa gegen die Zahlung von mehreren Hunderttau­send Euro an reiche Nicht-EU-Bürger verhökert. Malta sei ein Hotspot für das legale und il- legale Glücksspie­l. Nationale Beamte seien gleichzeit­ig Besitzer von Kasinos und Spielhalle­n. „Mir fällt es dabei schwer, die Abgrenzung zwischen dem Staatsdien­st und einer Nebentätig­keit in legalen oder halblegale­n Kasinos vorzunehme­n.“

Bis heute ungeklärt sind etwa die Umstände des Rücktritts des maltesisch­en Gesundheit­skommissar­s John Dalli vor fünf Jahren. Gegen Dalli waren Korruption­svorwürfe im Zusammenha­ng mit der TabakProdu­ktrichtlin­ie erhoben worden, die aus seiner Feder stammt. Dalli hat die Vorwürfe stets bestritten. Es gibt die Vermutung, dass er in Brüssel Platz machen sollte für einen anderen Kandidaten und dass daher gezielt die Korruption­sgerüchte in die Welt gesetzt wurden. Tatsache ist, dass das maltesisch­e Justizwese­n in fünf Jahren nicht in der Lage war, den Fall aufzukläre­n.

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