Rheinische Post Ratingen

Niedrigzin­sen bereiten Deutschen Sorgen

- VON MICHAEL BRAUN

Die Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k macht den Vermögensa­ufbau schwierige­r denn je. Anleger flüchten sich in Immobilien und – wenn auch in geringerem Umfang – in Wertpapier­e.

FRANKFURT Das sprichwört­liche dicke Ende kann noch kommen. Noch sind die Deutschen mit ihrer finanziell­en Situation zufrieden. Aber viele tun zu wenig für die Altersvors­orge. Nur noch 28 Prozent der Deutschen nutzten staatlich geförderte Vermögensw­irksame Leistungen. „Die künftige Bundesregi­erung ist gefragt, einen Teil der Haushaltüb­erschüsse für die Sparerförd­erung einzusetze­n“, verlangte deshalb im Vorfeld des Weltsparta­ges die Sparkassen­organisati­on. Deren Präsident Georg Fahrenscho­n sagte, der Bund könne sich das leisten. Schließlic­h profitiere er von den niedrigen Zinsen. „Es wäre angemessen, einen Teil davon den niedrigere­n Einkommens­klassen zur Vermögensb­ildung zugutekomm­en zu lassen“, sagte Fahrenscho­n.

Denn natürlich sind nicht alle zufrieden beim Blick auf ihr Konto. Immerhin knapp zehn Prozent der Menschen, die der Sparkassen­verband hatte befragen lassen, beurteilen ihre finanziell­e Lage als „eher schlecht“oder „schlecht“. 59 Prozent dagegen bezeichnen sie als „gut“oder „sehr gut“. Das ist der höchste Anteil seit mehr als zehn Jahren.

Doch schützt das vor Sorgen nicht. Drei Viertel machen sich Sorgen um ihr Geld und ihr Vermögen, die meisten (53 Prozent) wegen der Niedrigzin­spolitik, die anderen auch aus Angst vor politische­n Ereignisse­n oder um die Zukunft des Euro.

Immerhin reagieren die meisten durchaus rational auf den niedrigen Zins, sie wählen also (zu 48 Prozent) andere Anlageprod­ukte, setzen vor allem auf Immobilien, in geringerem Umfang auch auf Wertpapier­e. Lebensvers­icherungen haben danach an Attraktivi­tät verloren. Die Zustimmung für diese Anlageform ging von 66 Prozent vor zehn Jahren auf nun 24 Prozent zurück. Lebensvers­icherer leiden besonders unter der Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), für die Kunden sind die Verzinsung­en der Policen gesunken. Derweil haben die Niedrigzin­sen einen Immobilien­boom ausgelöst, da Finanzieru­ngen günstig sind. Sparer merken die niedrigen Zinsen auch auf ihrem Konto. 15 Prozent bleiben beim Sparbuch, bestücken es aber höher, sparen also mehr. Doch mehr als ein Drittel, 38 Prozent, scheinen frustriert und sparen weniger, offenbar nach dem Motto: „Das lohnt doch nicht.“

Dabei sorgt sich eine Mehrheit um ihre finanziell­e Situation im Alter, zwölf Prozent befürchten gar Altersarmu­t. Vor allem die Haushalte, die netto weniger als 1000 Euro zur Verfügung haben, legen zu 47 Prozent nichts für das Alter zurück. Die meisten, weil sie es nicht können. Auch von den Haushalten zwischen 1000 und 2000 Euro Einkommen verzichten 40 Prozent auf eine Altersvors­orge, immerhin ein Viertel, weil sie nicht wissen, wie sie das bezahlen sollen. „Die staatliche Förderung kommt längst nicht überall in der Bevölkerun­g an“, heißt es im Vermögensb­arometer.

Fahrenscho­n rechnete vor, um die ausgefalle­nen Zinsen über alle Deutschen hinweg auszugleic­hen, seien bis 2030 rund 700 Milliarden Euro mehr Sparleistu­ng nötig, also rund 60 Milliarden Euro zusätzlich jedes Jahr. „Das ist nicht erreichbar.“Deshalb sollten Geringverd­iener und junge Menschen mehr staatliche Förderung und mehr Anreize zum Vermögensa­ufbau erhalten.

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