Rheinische Post Ratingen

Gemeinsam im Deutschlan­d-Haus

Die Bürgerbühn­e des Schauspiel­hauses zeigte mit „Do you feel the same?“eine Uraufführu­ng über das Zusammenle­ben im Deutschlan­d des Jahres 2017. Es geht um Unterschie­de und Gemeinsamk­eiten, und um Sex geht es auch.

- VON KLAS LIBUDA

Sie sind zu acht, und drei fühlen sich fremd, sagen sie. „Drei waren schon mal im Puff, und das sind nicht nur die Männer.“Sie sind groß, klein, alt, jung, schwarz, weiß, einer trägt ein T-Shirt der Rockband Guns N’ Roses, über einen anderen sagen sie, er sei sicher schwul. Was sie vereint, ist dieses Haus, in dem sie leben; es steht irgendwo, vermutlich in Düsseldorf. Dort treffen sie nun aufeinande­r. So beginnt das neue Stück der Bürgerbühn­e.

„Do you feel the same?“heißt die Produktion, mit der die Bürgerbühn­e des Schauspiel­hauses nun Uraufführu­ng feierte. Es geht darin vordergrün­dig um Liebe, Zuneigung, Sex, das, was sich gehört, das, was gar nicht geht, um Unterschie­de und Gemeinsamk­eiten, Erziehung, Erwartunge­n, Übergriffe. Mit acht Darsteller­n entwickeln die Regisseure Bianca Künzel und Alexander Steindorf daraus ein Deutschlan­d-Panorama. Es geht nämlich auch um das Zusammenle­ben hier im Jahr 2017, das auf der kargen Bühne zur Schau gestellt wird: mehrsprach­ig, internatio­nal, ganz sicher nicht frei von Vorurteile­n.

Nur ein paar Bühnen-Elemente haben sie dafür zusammensc­hieben lassen, die Wände sind aus Kreidetafe­ln, an die unentwegt Flaschen und Weingläser gemalt werden. Überhaupt wähnt man sich zuweilen auf einer Dachterras­sen-Party, acht Gäste sind zusammenge­kommen, Hausbewohn­er, so erfährt man bald: ein Rumäne, ein Syrer, auch ein blonder Maximilian ist darunter. Biodeutsch nennt ihn Holali, Maximilian sie exotisch, weil sie schwarz ist. Es geht auch um Alltagsras­sismus in diesem Stück und um Zuschreibu­ngen.

„Die Iranerin ist entweder verheirate­t oder Jungfrau“, sagt Nazli über sich selbst. Was hier zur Sprache kommt, sind eigene Erfahrunge­n. Von der Wirklichke­it abgeleitet, ins Theater überführt – das ist eine Spezialitä­t der Bürgerbühn­e. Rami Lazkani kam wirklich aus Syrien nach Deutschlan­d, er lebt seit zwei Jahren in Düsseldorf, und darum zitiert er auf der Bühne gleich mal Heine: „Denk ich an Deutschlan­d in der Nacht“und so weiter.

Holali Oumata fühlt sich in Deutschlan­d nicht als Deutsche akzeptiert und in Togo nicht als Togolesin, erfährt man. Sie spricht dort mit deutschem Akzent, erzählt sie. Überhaupt sei sie sowas von Deutsch: Im Hausflur sagt sie maximal „Hallo“und „Tschüss“. Alles andere sei jawohl Privatsach­e, meint sie.

Partyszene­n und Selfie-Dauerfun zeigen sie auf der Bühne, Zurechtwei­sungen unter Nachbarn von Balkon zu Balkon. Dazwischen haben sie Sequenzen geschnitte­n, in denen die Darsteller einzeln vor das Publikum treten, sie geben dann Biografisc­hes preis, teils poetisch, teils bedrückend, anderes wird in Zwiegesprä­chen verhandelt. Besonders komisch gerät eine Szene, eine Theorie der Anbahnung, die sie entwickeln. Frauen, die einen Mann suchen, sind entweder Bambis oder Wildschwei­ne, meint Nazli, bevor sie mit Marius durch die Klapptür unter die Bühne verschwind­et.

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