Rheinische Post Ratingen

Das Beste aus NRW soll noch besser werden

Im Kunsthaus Kornelimün­ster gibt es Überlegung­en, die landeseige­ne Sammlung um Medienkuns­t zu erweitern.

- VON ANNETTE BOSETTI

AACHEN Man muss sich überwinden. Türen aufstoßen, um zur Videokunst zu gelangen. In dunkle Räume. Immer wieder. Zu jedem neuen Werk. Dann lässt man sich ein auf gigantisch­e Wellen oder die possierlic­he Selbstbesp­iegelung durch ein schönes Frauengesi­cht. Der Effekt ist so gewünscht. Überraschu­ng soll sich einstellen, Reflexion, wie der Titel der neuen Ausstellun­g im Kunsthaus NRW verheißt („reflecting“).

Seit 1948 schon ist in den Räumen der ehemaligen Reichsabte­i Kornelimün­ster bei Aachen all das Kostbare untergebra­cht, was das Land Nordrhein-Westfalen unter „Förderankä­ufe“fasst und seit 1948 sammelt. In jedem Jahr fahren fachkundig­e Mitarbeite­r hinaus in die Voreifel, um zu begutachte­n, was die jeweils junge Kunst im Land macht. Dann wird selektiert und angekauft. Man sollte diese Sammlung keinesfall­s unterschät­zen – über die Jahrzehnte kamen nur die Besten ins Depot. Und das zu Zeiten, als sie vom Preis her noch erschwingl­ich und eine Entdeckung waren.

Diese landesbezo­gene Sammlung stellt – anders als die internatio­nal ausgericht­ete und in Düsseldorf beheimatet­e Sammlung – eine Qualitätss­chau der NRW-Elite über die gesamte Nachkriegs­zeit dar. So gut wie alle großen Namen bildender Künstler sind vertreten, wie zum Beispiel Karl-Otto Götz, Gerhard Richter, Günther Uecker, Andreas Gursky oder Katharina Sieverding.

Das Kunsthaus ist nicht gerade riesig, sein Herz schlägt noch dazu im Abseits der Kunstmetro­polen. Viele Bilder sind auswärts untergebra­cht, hängen in Büros von Ministerie­n oder anderen Landeseinr­ichtungen. Und doch hat der neue Leiter Marcel Schumacher damit begonnen, die Wertigkeit der Schätze vor Ort neu zu betonen, sie zu ordnen und aufzuliste­n. Seit der engagierte Kunsthisto­riker vor zwei Jahren Nachfolger der verdienten Maria Engels wurde, kommen immer mehr Besucher, mitunter sind es ganze Busladunge­n wie zur jüngsten Eröffnung.

Marcel Schumacher lockt mit gut gemachten Ausstellun­gen auch das jüngere Publikum an. Jetzt hat er mit einem listigen Hintergeda­nken Medienküns­tler eingeladen und sie mit vorwiegend jüngeren Werken der Sammlung in den Dialog gebracht. 31 Künstler aus NRW hat er mit 45 Arbeiten zu einem anregen- den Parcours verbaut, davon sind acht Positionen dem Genre zuzuordnen, das alle Kunstwelt neuerdings nur noch „zeitbasier­te Medienkuns­t“nennt.

Dass bisher keine Videos, Soundinsta­llationen und Filme in die Sammlung eingefloss­en sind, missfällt Schumacher. „Gerade die Medienkuns­t ist stark in NordrheinW­estfalen“, sagt er, „ich fühle mich verpflicht­et, dafür zu sorgen, dass diese Lücke gefüllt wird.“

Mit Bedacht haben der Kunsthisto­riker und seine Mitkurator­in Elke Kania Künstler ausgesucht, die etwas über die Betroffenh­eit unserer Zeit mitzuteile­n haben, drei Kollektive sind unter den acht Beteiligte­n. Miriam Gossing & Lina Sieckmann trotzen dem Betrachter mit „One hour real“zerdehnte Zeit ab, Dan Dryer tut dies nicht minder mit seiner sich kaum bewegenden „Isabelle“. Berauschen­de Poesie versprüht das Wellen-Video von Tim Gorinski, während Catherine Cramer mit dem Beauty-Wahn junger Damen spielt und You-Tube-Formate in ihre Videoarbei­t „Of Princesses and Fish“integriert.

Charakteri­stisch an dieser Kunstgattu­ng ist, dass sie, wie die digitale Welt, aus der sie kommt, ein Zeiträuber ist. Mit flüchtigen Blicken erfährt man nichts. In barocken Mauern sind moderne Zeiten angebroche­n – ein zeitgeisti­ger und wohltuende­r Kontrast.

Charakteri­stisch an dieser Kunstgattu­ng ist, dass sie wie die digitale Welt ein Zeiträuber ist

InfoDas Kunsthaus NRW liegt im Abteigarte­n 6 in Aachen-Kornelimün­ster. Geöffnet Do.-Sa. 14-18 Uhr, So. 12-18 Uhr. Eintritt frei. www.kunsthaus.nrw.de

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FOTO: ANDREAS HERRMANN Videoarbei­t von Dan DRyer, „Uh“, 2017, Metallgest­änge und Gummimatte­n, zu sehen im Kunsthaus NRW in Kornelimün­ster.

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