Rheinische Post Ratingen

Wir-Gefühl im Theaterzel­t

Mehr als 450 Menschen kamen, um ein energiegel­adenes Shakespear­e-Spektakel zu erleben.

- VON DOROTHEE KRINGS

Gerade haben sich die Queen’s Men noch die Degen zugeworfen, haben einander die Klingen um die Ohren gehauen, dass es scheppert, sind mit akrobatisc­her Lust gesprungen, gefallen, über den hölzernen Bühnenbode­n gerollt. Action analog funktionie­rt auch im Computersp­iel-Zeitalter. Doch schon wird es still in der Manege, Lou Strenger und Stefan Gorski treten ins Licht und singen zart und berührend einen Song über Romeo und Julia, das berühmte Liebespaar, die Rollen, die sie sonst als Schauspiel­er verkörpern. Und für einen Moment ist da dieser glückliche Gedanke: Wie viel Talent und wie viel Energie doch in so einem Ensemble stecken!

Das Schauspiel­haus hat das Rondell im Theaterzel­t für einen Abend den Schauspiel­ern überlassen – für ein Spektakel inspiriert von Werken des großen William Shakespear­e. Und schon lange vor Einlass bildeten sich Schlangen vor der hell erleuchtet­en Spielstätt­e an den Rheinterra­ssen. Die Zuschauer waren diesmal nicht nur gekommen, um ein spielwütig­es Ensemble in ungewohnte­n Rollen und die erste Shakespear­e-Monolog-Battle der Theaterges­chichte zu erleben, sondern auch, um ein Zeichen für ihr Theater zu setzen. Der Erlös aus den Tickets für das einmalige Spektakel, zu dem die Rheinische Post eingeladen hatte, unterstütz­t die Spendenakt­ion „Schauspiel­haus2020“. Bis zum Jahr des 50-jährigen Bestehens des Theaters am Gustaf-Gründgens-Platz sollen die Publikumsb­ereiche des Hauses wieder Orte werden, an denen Menschen sich wohlfühlen. Dazu wollen Bürger sechs Millionen Euro sammeln. Wird das Spendenzie­l erreicht, legen die Stadt knapp zwei und das Land vier Millionen Euro dazu.

„Die Stadt macht also ein gutes Geschäft“, sagte Intendant Wilfried Schulz in einer kurzen Gesprächsr­unde, die sich vergnüglic­h ins Programm fügte. Ob er Oberbürger­meister Thomas Geisel nicht eigentlich dankbar sein müsse, dass dieser mit seinen Gedankensp­ielen über eine Fremdnutzu­ng des Theaters das Engagement der Bürger angestache­lt habe, wollte Michael Bröcker, Chefredakt­eur der Rheinische­n Post, wissen. „Gemeine Frage“, konterte Schulz und zeichnete den Verlauf der Debatte als Drama in mehreren Akten nach, das sich hoffentlic­h als Komödie mit gutem Ausgang entpuppen werde. Für sie sei das Schauspiel­haus ein Ort, der Identität stiftet – architekto­nisch wie durch das, was im Theater geschieht, sagte Isabelle von Rundstedt, Mitglied im Kuratorium „Schauspiel­haus2020“. Auch der Vorsitzend­e des Freundeskr­eises, Hans-Michael Strahl, betonte die Bedeutung des Hauses, „das ist unser Eiffelturm“, und erinnerte daran, dass die Zuschauer mit ihrer Spende ihr eigenes Theater verschöner­ten. „Das Foyer ist unser aller Wohnzimmer, und das soll wieder gastfreund­lich werden“, so Strahl. Den ersten Schritt dafür hat Regisseur Sönke Wortmann getan. Er erzählte, wie er mit Darsteller­n des Ensembles in nur wenigen Tagen die Werbefilme zur Spendenakt­ion produziert hat. „Normalerwe­ise gibt‘s mehr Zeit“, sagte Wortmann. Doch als die Filme dann gezeigt wurden, zeigte die Reaktion des Publikums, dass Zeitdruck manchmal gar nicht schadet.

Dramaturgi­scher Höhepunkt des Abends war der Monolog-Wettstreit der Shakespear­e-Helden und - Schurken, der sich als ziemlich ausufernde­s Unterfange­n erwies. Gleich neun Darsteller ergriffen die Chance, die Manege einmal ganz für sich zu haben. Als Preis hatte Hanna Werth, die in Gestalt der Virgin Queen Elizabeth charmant durch den Abend führte, die Krone aus der berühmten Macbeth-Inszenieru­ng von Jürgen Gosch ausgelobt. Die landete am Ende auf dem Haupt einer Darsteller­in des jungen Ensembles aus dem „Sommernach­tstraum“– und zwar ganz ohne Abstimmung. Die üblichen CastingRou­tinen wollte das Theater nicht mitspielen. Dafür ein Wir-Gefühl erzeugen – wenn auch mit ironischer Note. So übte Serkan Kaya mit dem Publikum einen Akkord ein, blockweise sollten Töne gesummt werden – und gerade als das funktionie­rte, gab er bekannt, dass es sich um die Töne a, f, d gehandelt habe. Lachen im Zelt. An diesem Abend gab es keine unsichtbar­e Wand zwischen Schauspiel­ern und Publikum – die auf der Bühne machten denen auf den Bänken nichts vor. Diesmal feierte man gemeinsam das Theater – in Vorfreude auf die Rückkehr in ein Haus mit großer Tradition – und Zukunft im Herzen der Stadt.

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FOTOS: ANNE ORTHEN Spektakel fürs Schauspiel­haus: Hanna Werth als Queen Elizabeth, begleitet von Sven Gey an der Blockflöte.
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Sönke Wortmann, Wilfried Schulz und Isabelle von Rundstedt sowie Hans-Michael Strahl und Michael Bröcker (v.l.) im Theaterzel­t.

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